„Neben dem Aufbau eines stehenden Heeres, dem Erwerb der preußischen Königskrone und den aufgeklärten Reformen im 18. Jahrhundert gilt das Potsdamer Edikt von 1685 zurecht als Meilenstein in der Geschichte des Aufstiegs der brandenburgischen Hohenzollern von einer mittelmächtigen deutschen Dynastie zu einer europaweit agierenden Großmacht. Es steht am Beginn eines durch die kulturprotestantisch-borussischen Geschichtsschreiber im Rückblick fast schon mythisch verklärten Preußenbildes. Innerhalb eines bis in die Gegenwart aktueller brandenburgischer Landespolitik und öffentlicher Verlautbarungen nachwirkenden Preußen-Mythos wird diesem zweifellos bedeutenden Einladungspatent des Großen Kurfürsten eine besondere Modernität und Toleranz des Hohenzollern-Staates zugeschrieben. Diese, in der kollektiven Erinnerung wirkmächtige Deutung des Potsdamer Edikt freilich ist – gerade wegen der ungebrochenen Popularität des Großen Kurfürsten, nicht nur im
Bundesland Brandenburg – kritisch zu prüfen. So werden der historische Entstehungszusammenhang des Potsdamer Edikts, seine Inhalte und konkreten Umsetzungen, aber auch die vom Großen Kurfürsten verfolgten innen- und außenpolitischen Ziele in den Blick genommen. Auch und gerade unter Berücksichtigung der im Umfang beachtlichen hohenzollernschen Siedlungs- und Kolonisationspolitik im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges wird so deutlich, daß das Potsdamer Edikt beileibe kein „Toleranzedikt“ war – es aus der Sicht des Großen Kurfürsten auch nie gewesen sein sollte. Es war vielmehr ein im Zeitkontext raffiniertes Instrument einer restriktiven, im Kern letztlich intoleranten Kirchenpolitik der Hohenzollern, welches erst später durch deren Hauptnutznießer – die Hugenotten – zu einem überschwenglich positiv gefeierten Bestandteil der preußischen Staatslegende wurde.“