Die Zeit ohne “Mai” ist im Tempelgarten endlich vorbei

Unter den Monaten des Kalenders unserer Weltsicht hat er eine Sonderstellung, auch wenn womöglich das Wort “Wonnemonat” der Jugend kaum noch bekannt ist. Goethe schwärmte im “Mailied” von ihm. Im Tempelgarten indessen musste man “Maius” schmerzlich vermissen. Die Zeit ist nun vorbei. Im Anschluss an die Jahreshauptversammlung des Tempelgarten Vereins wurde die Putte feierlich enthüllt.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Der Vorstand war erst eben im Amt bestätigt und von den Mitgliedern mit viel Beifall bedacht worden, da konnte man zur feierlichen Enthüllung des “Maius” schreiten. Jutta Sand vom Vorstand erinnerte an den im Dezember 2024 verstorbenen ehemaligen Vorsitzenden Dr. Helmut Berendt, den man als engagierten Förderer und Unterstützer dieser Kleinkunst gerne dabei gehabt hätte. Die Mitglieder, die es durch großzügige Spenden möglich gemacht hatten, diese Gedächtnislücke zu schließen, konnten bei der Enthüllung mithelfen. Auch ihnen galt ein herzlicher Applaus.

“Maius” vor einer wahrhaft malerischen Kulisse im Tempelgarten Neuruppin.
Fotos: VHS

“Glücklich ist nicht, wer anderen so vorkommt, sondern wer sich selbst dafür hält”, zitiert man im Flyer den Kronprinzen Friedrich. Wie sich Unglück anfühlt, hatte er selbst als junger Mann reichlich erleben müssen. Der “Maius” im Tempelgarten aber wirkt einfach glücklich, alles Weitere bleibt sein Geheimnis. Er spricht ja nicht. Oder doch? Blumen lässt der Knabe sprechen. Für wen? Wofür? Die Gedanken darüber sind frei. An Aufmerksamkeit für die Putte wird es nicht mangeln, da kann man sich seitens des Vereins sicher sein. Und bei den regelmäßigen Führungen durch die “historische Oase in der Kleinstadt” wird der Blick auf “Maius” nicht fehlen.
Theodor Fontane rückte den Mai im Jahre 1842 in einem Gedicht in ein anderes Licht. “Oh Herz, es brach die Frühlingsonne des Winters Ketten wohl entzwei, wohl ziemt der Erde Dank und Wonne; – doch bis auch du von Ketten frei?” Es ist nicht üblich in der Fontanestadt, die Putten der Monate und Jahreszeiten mit lyrischem Beiwerk zu schmücken. Und das ist gut so, auch wenn gerade hier im Tempelgarten seit 1995 Feudalzeit, großbürgerliche Herrlichkeit und freie engagierte offenherzige Bürgerlichkeit zusammenfließen, besonders wenn die freien Künste sprießen.

Shakespeares Drama “Der Sturm” – unkonventionell in Szene gesetzt

Das Brettspielensemble aus Dresden verzaubert den Tempelgarten

Das Dresdner Ensemble „Spielbrett“ interpretiert Shakespeares „Sturm“ poetisch, verspielt und politisch im Tempelgarten Neuruppin – ein besonderer Theaterabend.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Es gibt Ariel, Beriel und Ceriel, da bleibt kein Flecken. Zauberkräfte wirken, auch durch Musik. Es gibt Stephano und Trincolo, da bleibt kein Tropfen in der Flasche. Vor allem aber ist irgendwo auf einer Insel der Herzog Prospero von Mailand. Er ist verbannt. Er hatte sich in den Kämpfen, im Wust der Intrigen verrannt. Ein Sturm spült Jahre später Gegenspieler an Land. Höhere Mächte und niedere Instinkte scheinen überall im Spiel. Eben Shakespeare, eben der Theaterzauberer, der schon zu seiner Zeit den Rahmen sprengte und vieles überwand, was ihn einengte. Man kann das begrüßen. Leicht ist’s letzte Werk nicht, das muss man wissen. Wenn dann noch ein Ensemble wie “Spielbrett” aus Dresden Hand anlegt und Verfremdungen einfügt, dann ist das Publikum gefordert. “Vorletzte Szene”, hört man irgendwann aus Prosperos Mund, als hätte Brecht sich eingemischt, damit alle wissen: Es wird nur gespielt. Bitte nicht weinen bei der Trauungszeremonie. Es ist bald geschafft. Die Versöhnung läuft. Die Musik ist angenehm. Alles Zynische, alles Eklige, alles Primitive, vor allem aus Männermund, ist längst vergessen. Es ist spät, es reicht.

Wer Ariel sagt, muss auch Beriel und Ceriel sagen und darf genießen.

Das Kitakind in der ersten Reihe muss doch bestimmt allmählich zu Bett. Der große Hund in der letzten Reihe wirkt langsam unkonzentriert. Aber insgesamt halten sich die vielen Gäste wacker. Ab und zu wird applaudiert, vor allem wenn Songs locker geboten werden. Niemand rennt los, nur weil die laut tönenden Feuerwehrautos auf der Heine-Straße womöglich schon zur eigenen Behausung unterwegs sind und einen Löschversuch starten. Wird schon schiefgehen, wie in der großen Politik mit ihren Bränden, die Shakespeare gern aufgriff. “Gut regiert werden”, das ist als Wunsch zu hören. In Berlin, in Potsdam, in Dresden? Über Washington und Moskau wäre länger nachzudenken, aber die Zeit ist nicht gegeben. Weiter, weiter, weiter. Maximal hundert Minuten, das ist ein Versprechen.

Zeit zur Versöhnung – das Traumschiff wartet auf schlichte Gemüter.
Fotos: VHS

Ulrich Schwarz und Annete Bundy können als Regieteam zufrieden sein. Nach zwei Jahren “Sturm” fegt der Wind immer noch. Als Amateurtheater arbeitet man zum Teil mit Doppelbesetzungen. Im Tempelgarten prägt Steffen Roye als Prospero das Spiel. Dorothee Ebert-Bienz bekommt als Ariel besonders viel Beifall. Magie und Poesie, das ist ihr Element. Als Caliban ist Mattias Loeper zu erleben. Sein Spiel ist wild, seine Gefühle sind stark. Sein Gang durch die Reihen schreckt auf. Als “Inselbewohner” wird er bezeichnet. Man möchte korrekt sein. Nicht dass er ausgewiesen wird, nur weil er ein “Wilder” ist bei Shakespeare. Die Akteure wissen, dass Gleichgültigkeit droht, wenn “alles als gleich gilt”. Solche Wortspiele werden gewagt. Nationalsozialismus und Sozialismus werden in einem Atemzug erwähnt. Natürlich so schnell und zappelig, dass der Wortlaut nicht notiert werden kann. Im Original ist davon nicht die Rede. Shakespeare reichte, was er wusste über Tyrannei, Machtspielchen und Liebedienerei.
Zu kurz kommt der Sturm. Die Naturgewalt. Die Fluten. Die Verheerungen. An Applaus mangelte es dennoch nicht. Denn dieses Ensemble spielt mit großer Leidenschaft, zeigt Spielfreude, Witz und Wagemut und wird sicher gerne mit der nächsten Produktion wieder nach Neuruppin kommen in den Tempelgarten. Als Zeitungskritiker aus einer untergegangenen Zeit hat Theodor Fontane oft mit Shakespeares Stücken zu tun gehabt. “Der Sturm” ist nicht dabei. Was Scheinwelten anbelangt, also Realismus und Naturalismus überwindet, schreibt Fontane 1884: “Das Entscheidene ist die Leuchtkraft.” Blitzgescheit der Mann, wohlwissend, dass verwirrende, verführende Irrlichter darunter sein können – eben wie im “Sturm”. Die Harfenklänge kamen ja wie vom Himmel, noch keine neuen Sturmstaffeln in Sicht…

Dreißig Jahre Tempelgarten, zwei Tage beste Feierstimmung Förderverein kann sich über sehr großen Zuspruch freuen

Foto der Buühne im Tempelgarten

30 Jahre Tempelgarten-Verein: Zwei Tage voller Kultur, Musik und Mitmachaktionen begeistern Besucher im Park – ein Fest für alle Generationen.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Karl der Fünfte und Phillip der Zweite sind nicht dafür bekannt, dass sie dem Volk große Freiheit gewährt hätten. Was Vater und Sohn als barocke Skulpturen unter dem Zeltdach am Samstgabend als “Nachtflimmern” erlebten, war nur der Auftakt der Geburtstagsfeierlichkeiten. 30 Jahre Tempelgarten Verein galt es zu feiern. Das fröhliche Treiben endete am späten Sonntagnachmittag mit hinreißender Jazzmusik aus der Kreismusikschule. Überall im Park hatte es zuvor Gelegenheit gegeben, kulturelle Aktivitäten zu erleben oder selbst dabei mitzumachen. Führungen gehörten auch zum Festprogramm. Das Volk war einfach aus dem Häuschen.
Sebastian Maihs und Oleksii Aleinikov faszinierten vom ersten Moment an. Als Diva begann der Sänger, als Muskelprotz machte er weiter. Filmkunst und Körperfitness gehörten zum “Nachtflimmern” – der Sänger gibt sich “heiß” auf eine Nacht ohne Grenzen, der Pianist blebt cool, wirkt aber musikalisch nie unterkühlt. Das gefiel. Eben noch Musikkomiker, lässt Maihs mit “Skyfall” ganz andere Töne anklingen. Melancholie und Sentimentalität kann er auch – fast wie Adele oder Zarah Leander. Das Duo wurde immer wieder umjubelt und beklatscht.

Beatments Dance Company – Glanznummern voller Eleganz, Dynamik und Harmonie. Foto: VHS

Bei der Geburtstagsfeier am Sonntag sorgten außer dem Team vom Restaurant Tempelgarten Zöglinge einer 11. Klasse vom Schinkel-Gymnasium, der Verschönerungsverein Neuruppin, Meg’s Foodtruck und “Herr Fontane” für Gaumenfreuden. Mit von der Partie waren das Rote Kreuz, der Angler-Verband und die Fontanemaler. Mitmachmöglichkeiten gab es für alle Generationen – von der Haferquetsche der Kreislandfrauen über die interaktive Klangscheibe von Benjamin Schulte bis zum Spielmobil von ESTA, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Überall sah man strahlende Gesichter.
Wahre Begeisterungsstürme weckten die Tanzdarbietungen der Beatments Dance Company. Selbst Mitmachangebote der Tanzformation La Gozadera blieben nicht folgenlos. Auch das Streichensemble der Kreismusikschule und der Saxofonist Alexander Schulz wussten zu gefallen. Da hatte es Frank Matthus im Getümmel nicht ganz leicht, mit Passagen aus Heinrich von Kleists Drama “Der Prinz von Homburg” die Ohren der Gäste zu erreichen. Doch er ist Profi genug, um Interesse zu wecken im Gewimmel für die Inszenierung der Schlacht von Fehrbellin (1675) im August 2025 in Netzeband.

Kostproben aus “Der Prinz von Homburg”: Ein Wink von Frank Matthus Richtung Netzeband. Foto: VHS

Als erste Vorsitzende hatte Steffi Schieferdecker das “Nachtflimmern” eröffnet und an die Gründung des Fördervereins vor 30 Jahren erinnert. Viel ehrenamtliche Arbeit war in drei Jahrzehnten von vielen zu bewältigen. Und ohne Spenden und die Mittel der Stadt gäbe es diese herrliche Oase nicht, das ist offensichtlich. Besonderes Engagement ist auch dem Moderator Maurice Ryba zu bescheinigen. Gern kam er auf “Fontane 2019” als Highlight der letzten Jahre zurück. Derweil gab’s im benachbarten Museum beim 160. Geburtstag schon einige Hinweise auf “Schinkel 2031”.

Foto der Jazz-Band dre Kreismusikschule
Schlussakkord mit der Jazzband der Kreismusikschule. Foto: VHS

“Der neue Menoza” – eine Produktion des Ensembles “Theater 89”

Foto der Protagonisten im Tempelgarten in Neuruppin

Der Tempelgarten in Neuruppin als ideale Kulisse für die Premiere

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Im Tempelgarten muss irgendetwas Besonderes los sein. Laute Stimmen sind zu hören. Menschen im Streit? Am frühen Sonntagnachmittag? Sicher der Hitze geschuldet. Oder der Weltlage. – Irrtum. DasBrandenburgerEnsemble “Theater 89”, früher Berlin, noch früher Ost-Berlin, probte. Am kommenden Freitag ist Premiere für die Tournee duch historische Städte und Spielstätten. Gegeben wird “Der neue Menoza”, eine Komödie von Jakob Michael Lenz. Regie: Hans-Joachim Frank. Untertitel: “Geschichte des cumbanischen Prinzen Tandi…” In der Titelrolle des Exoten: Christian Schaefer, vor Kurzem noch mit Ibsens “Peer Gynt” in Niedersachsen unterwegs.

Vor einem Jahr gastierten die Bühnenkünstler mit Gerhart Hauptmanns Stück “Der Biberpelz” in Neuruppin. In der Region machte man auch in Kremmen und in Rheinsberg Station. Dass 2025 der Tempelgarten für die Premiere ausgewählt wurde, ist sicher kein Zufall. Der Stoff wirkt wie geschaffen für diese Kulisse. Und umgekehrt. Einst von Kronprinz Friedrich als Nutz- und Musengarten gedacht und später durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff um den Apollo-Tempel veredelt, bietet das Areal immer noch reichlich historische Atmosphäre.

Theater 89 im Tempelgarten
Was wird hier gespielt in Naumburg und wer ist wer – wirklich? Foto: VHS

Prinz Tandi steht im Mittelpunkt. Es heißt, der Fremdling wolle erkunden, was es mit dem aufgeklärten Zeitalter in Deutschlands Kleinstaatenwelt auf sich hat und mit den lebensklugen Menschen. Unterwegs nach Paris macht er in Naumburg Station. Eine Familie von Biederling rückt ins Rampenlicht. Namen wie Graf Camäleon oder Edelmann von Zopf lassen aufhorchen. Die junge Wilhelmine von Biederling wird zur Schickalsfigur. Mehr sei hier nicht verraten.

Wer am Sonntag lustwandelte im Tempelgarten oder bloß Schatten suchte, konnte erleben, wie die Künstler das Stück – anders als Lenz – mit Musik ausklingen lassen. Lenz hatte das 1773 verfasste Werk im Jahr darauf zunächst anonym veröffentlicht. Die Theaterwelt tat sich schwer damit. Der Autor, der sein Brot zunächst als Hofmeister verdiente, ging selbst auch bald auf Distanz. Mit sich war dieser Künstler ja kaum mal im Reinen. Einen der schönsten Sätze sagt Wilhelmine: “Lustige Gesellschaft ist eine Folterbank für Unglückliche.” Für lustige Stücke muss das nicht gelten, zumal wenn es wie hier genug Gedankenreichtum, Charakterdarstellung und Geschichtsbezug gibt. Ist es also überhaupt lustig oder eher karikaturhaft? Man wird sehen. Und hören. Sprechkultur wird in diesem Ensemble übrigens gepflegt wie kaum sonst. Deshalb hörte man die Wortwechsel ja fast bis zur Heinrich-Heine-Straße.

Beginn der Aufführung ist um 19 Uhr. Bei freier Platzwahl ist frühes Erscheinen nie falsch. Ob es noch Karten gibt? “Herr Fontane” weiß mehr.

“Sine musica nulla Vita – ohne Musik kein Leben”

Foto des Chores im Tempelgarten

A-capella-Chor verzaubert im Tempelgarten

Von Volkmar Heuer-Strathmann

“Ich weiß nicht, was soll es bedeuten”, als Auftakt. Also feinsinnige Heine-Lyrik, vertont von Friedrich Silcher. “Bolle reiste jüngst zu Pfingsten”, als wuchtiger Ausklang. Also schlichter Volksmund, aber originell gesetzt von Alwin M. Schronen und stimmlich wohlakzentuiert. So vielgestaltig und wagemutig gab sich der Neuruppiner A-cappella-Chor bei seinem Sommerkonzert im gut besuchten Tempelgarten. Dirigent Nils Jensen und seine Gesangsformation konnten sich immer wieder über kräftigen Applaus freuen. Und gelacht und geschmunzelt wurde auch nicht selten.

Die Akteure wurden sicher auch noch getragen vom jüngsten Erfolg in Nürnberg unter vierhundert Formationen, wo ein Teil des Sommerprogramms dargeboten worden war und am Ende zum Erfolg führte. Es ist keine Phrase, es ist zu spüren und es tut gut: “Sine musica nulla vita”, eine Komposition von Rolf Lukowsky. Rockmusiker und Rapper sehen es ja auch so.

Mit einem “Old man” ging’s auf die Bäume, also in die Höhen der Unsinnspoesie. In Nürnberg, der Stadt der Meistersinger, will man es eben nicht zu ernst haben. Und nicht nur Hochdeutsch. Nicht gestolpert zu sein bei “Ich ging emol spaziere”, das will auch schon was heißen beim Arrangement der Stimmen.

Auf die Ungewissheiten in der Welt war zwischendurch von der Moderatorin Ulrike Gawande hingewiesen worden, auch wenn wunderbares Liedgut aus Norwegen, Schweden und Dänemark nicht unmittelbar an Krisenherde erinnert. Konflikte und Kriege färben die Weltkarte ein. Verse von Mascha Kaleko wurden dagegengesetzt – in finsteren Zeiten entstanden, aber nicht ohne Zuversicht. “O du schöner Rosengarten”, ließe sich auch als Utopie verstehen.

Manchmal wird nur gesummt. Oder geschnippt. Oder gebrummt. Die Vöglein im Tempelgarten sind davon gut zu unterscheiden. Hier im Tempelgarten gehört gerade das zusammen – Gezwitscher und vokale Klangkunst. Klar, dass man nicht ohne begeisterten Applaus und beherzte Zugabe in den Tag geht.