Mit Karl Friedrich Schinkel von der Denkmalpflege zum kulturellen Erbe

Dass sich ein dynamischer kreativer junger Mann Anfang zwanzig auf Reisen für Denkmalschutz erwärmt, dürfte auch um 1800 eher die Ausnahme gewesen sein. Karl Friedrich Schinkel war so ein Mensch. Sein früher Blick auf das Erhaltenswerte war Thema beim Schinkel Talk in der Friedrichswerderschen Kirche mit Dr. Irina Rockel und Dr. Christoph Rauhut.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Irina Rockel, Gründerin der Schinkel-Gesellschaft und Ehrenmitglied, erinnerte an Schinkels Memorandum aus dem Jahre 1815. “Wenn jetzt nicht ganz allgemeine und durchgreifende Maßregeln angewendet werden, diesen Gang der Dinge zu hemmen”, schreibt der junge preußische Beamte angesichts mangelnder Ehrfurcht vor erhabenen Bauwerken, “so werden wir in kurzer Zeit unheimlich, nackt und kahl, wie eine neue Colonie in einem früher nicht bewohnten Land dastehen.” Schon gemerkt? Schreiben konnte er auch. Sogar im Amt, nicht nur privat. Rockel richtete die Aufmerksamkeit auf Schinkels erste große Reise. In Italien, vor allem aber in Frankreich, also in Paris im Dezember 1804 sei sein Blick für Denkmalpflege geöffnet worden. Seit 1789 war viel in Bewegung geraten. Was sollte als gedenkwürdig erhalten bleiben? 1815, als Schinkel zur Feder griff, war der politische Hintergrund allerdings ganz anders, Stichwort “Befreiungkriege”. Aus dem Patriotismus jener Jahre erwuchs aber im Falle Schinkel niemals Fanatismus oder Chauvinismus, mit nichts als Papier, Zirkel und Stift bewaffnet.

Von Kopf bis Fuß auf Schinkel eingestellt – Dr. Irina Rockel am Rednerpult

Christoph Rauhut vom Landesdenkmalamt Berlin wird später von Matthias Frinken, Vorstandsmitglied der Schinkel Gesellschaft Neuruppin, gefragt werden, wie sich die behördliche Arbeit heute darstellt in der Bundeshauptstadt. Der Denkmalpfleger, der seine Arbeit ausdrücklich in der Tradition Schinkels sieht, weiß, dass Denkmalpflege ohne Kompromisse nicht möglich ist. Last und Lohn der Demokratie. Rauhut griff den in die Dikussion gebrachten Begriff des “kulturellen Erbes” gerne auf, nicht anders als Irina Rockel. Demnach kann es niemals nur um Bausubstanz gehen oder etwa allein um die Frage des Originalzustandes. Auch meine das Wort Denkmal längst mehr als das Repräsentative, mehr als die königliche oder kirchliche Herrlichkeit. Schon Schinkel, so wusste Irina Rockel zu berichten, interessierte sich ja als Knabe angesichts der Aufbauarbeit in seiner Geburtsstadt nach dem verheerenden Brand von 1787 für die Manifestationen der Bürgerlichkeit. Mit dem Projekt “Treppenforschung” bewegt man sich derzeit in einem Arbeitskreis auf diesen Spuren.

Eine gute Adresse in Berlin – bald auch ein “Schinkelplatz” in Neuruppin?
Fotos: VHS

Ausgangspunkt der Denkmalpflege, so Rauhut, sei das vorherrschende Geschichtsverständnis. Von Schinkel weiß man um seine Nähe zur Romantik. Um Goethe machte er deshalb keinen Bogen. Im Gegenteil. Jens Bisky hat mit “Poesie der Baukunst” das Schinkel-Verständnis erweitert. Seit 1975 hat Denkmalschutz in Europa eine Charta. Der Europäische Rat, nicht zu verwechseln mit der EWG, reagierte auf Kahlschlagorgien und Abrisseuphorie. Die Hoheit blieb bei den staatlicherseits Zuständigen und deren Geschichtsverständnis. Die DDR gehörte nicht zu dem Reigen, an den Rauhut kurz erinnerte.
Zuständigkeits- und Haushaltsfragen wurden beim Schinkel Talk ebenfalls thematisiert. Ein kleiner Seitenhieb aus der Menge galt der Abwehr des in der DDR gepflegten Erbebegriffs seitens der westdeutschen Linken – sicher ein Thema für einen ganzen Heimatabend. Die Moderatorin als Vertreterin der Bundesstiftung Bauakademie und ihre beiden kompetenten Gesprächspartner konnten sich über reges Interesse freuen, auch seitens der Schinkel-Gesellschaft Neuruppin. Ob sich da echte Kooperation anbahnt im Vorfeld des Schinkeljahres 2031, wird sich in naher Zukunft zeigen.
Nutzung oder Nachnutzung, das dürfte ein großes Kirchenthema der nächsten Jahre werden, von Friedhöfen ganz zu schweigen angesichts der ersten Gesetzesreformen wie in Rheinland-Pfalz. Mit der Kulturkirche in Neuruppin ist man denkmalpflegerisch noch wesentlich weiter gegangen als in Berlin mit der Friedrichswerderschen Kirche. Für Schinkel wäre klar, das zeigt das denkwürdige Memorandum: Erstmal Verzeichnisse anlegen! So wie er es 1815 fordert für “Warten, Tore, Stadtmauern, Denksäulen, öffentliche Brunnen…”

Im Mehrgenerationenhaus in der “Krümelkiste” gibt es nun einen “Schinkel”-Raum

Raum Stilvolle Gestaltung des Beratungszimmers ist noch durch weitere Informationen zu ergänzen

Ein stilvoller „Schinkel“-Raum erinnert im Mehrgenerationenhaus Neuruppin an das Wirken des großen preußischen Baumeisters.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

“Das Elend der Obdachlosen war herzzerreißend”, schreibt Mario A. Zadow in “Karl Friedrich Schinkel – Ein Sohn der Spätaufklärung” über die Situation im Spätsommer 1787 in der weitgehend abgebrannten Stadt am Ruppiner See. Karl Friedrich war fünf Jahre alt. Er hatte noch zwei jüngere und zwei ältere Geschwister. Die Mutter sollte bald ganz allein sein mit den vier Kindern, denn der Vater verstarb am 25. Oktober 1787. Von 3000 Obdachlosen ist die Rede. Im Predigerwitwenhaus fanden die Schinkels bald Unterschlupf. Die Wohnungen, so Zadow, seien klein gewesen, die Treppenstiegen im Haus klein und eng. Vielen Menschen dürfte es noch weitaus schlechter gegangen sein nach der Brandkatastrophe, daran lässt der Kunsthistoriker keinen Zweifel.
Wenn man sich so dem berühmten Sohn der Stadt Ruppin nähert, erscheint die Tatsache, dass es inzwischen einen Raum in Neuruppin im Mehrgenerationenhaus im soziokulturellen Zentrum “Krümelkiste” gibt, der an Karl Friedrich Schinkel erinnert, in einem besonderen Licht. Briefe und Tagebuchnotizen, die Schinkel später als Erwachsener in Italien oder England verfasst hat, lassen eine hohe soziale Sensibiltät erkennen. Er hat ein Auge für die Lebensverhältnisse der Menschen, etwa in Neapel oder in Birmingham. Um Geld ging es auch nicht eben selten in der Korrespondenz mit der Obrigkeit. Großartige Bauten wollten finanziert sein. Und das klappte keineswegs immer. Ob sich Schinkel auch schon Gedanken gemacht hat über Ausbeutung und Verelendung?
Seitens der Karl-Friedrich-Schinkel-Gesellschaft, vertreten durch Vorstandsmitglied Otto Wynen, wurden Entwürfe, Bilder oder Fotografien (gegen eine Spende) zur Verfügung gestellt. Sie vermitteln einen Eindruck von der Bandbreite des Schinkel’schen Schaffens. Die Büste sei nur eine Leihgabe aus Anlass des Besuchs von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Neuruppin Anfang des Monats, erläutert Daniela Kuzu, die Stellvertretende Bürgermeisterin der Fontanestadt. Von ihr ging auch die Initiative aus, mit Schinkel Akzente zu setzen im Mehrgenerationenhaus. Ein runder Tisch zeigt das Selbstverständnis. Alles Weitere ist eine Frage der Praxis der Beratenden. An Anlässen sei sicherlich auch in Zukunft kein Mangel, so Kuzu.
“Leben und Werk”, auch von Zadow verfasst, liegt aus. Ebenso Zadows Werk “Schinkel im Bildnis seiner Zeit”. Da finden Interessierte Schinkels “Allegorische Selbstdarstellung”. Ein Seefahrtsmotiv. Ein stürmischer Tag. Anlanden oder ablegen, das ist hier die Frage am felsigen Ufer im Kahn mit zahllosen Menschen an Land und mystisch anmutender Himmelsreiterei unter den Wolken. Was für ein modern anmutender Blick auf die eigene Existenz! Man muss die ausliegenden Werke nur zur Hand nehmen und sich auf Schinkel einlassen – womöglich schon bald auch mit anderen modernen Informationsquellen.

Platz für ein paar weitere Informationen – gedruckt oder als Tonkonserve? Foto: VHS

“Überall ist man nur da wahrhaft lebendig, wo man Neues schafft.”Neue Akzente in der Schinkel-Gesellschaft mit Werken von Geli Schulze

Betrachterin der Kunstausstellung

Künstlerin Geli Schulze zeigt neue Werke in Neuruppin. Die Schinkel-Gesellschaft setzt mit dem KunstSchauFenster 2025 neue Impulse.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Eine Besucherin aus Bitterfeld nähert sich ganz vorsichtig der “Spitzendecke”. Was wie eine sorgfältige Handarbeit – “vermutlich von Frauenhand” – anmutet, ist etikettiert mit den Fachbegriffen “Acryl auf Leinwand”. Im Werk daneben sind zwei rote Fäden zu finden – nicht eingeflochten. Die Besucherin zeigt ich tief beeindruckt. Als Tagesgast in Neuruppin war sie mehr zufällig des Wegs gekommen.
Die beiden Werke gehören zu einer Ausstellung, die Einblicke gewährt in die Arbeit der Neuruppiner Künstlerin Geli Schulze. KunstSchauFenster nennt die Karl-Friedrich-Schinkel-Gesellschaft das neue Format. Auch in Zukunft soll – so Otto Wynen vom Vorstand – ein kleines Heft als KunstSchauFenster knappe Informationen bieten und Beispiele zeigen. Das erste setzt Maßstäbe, auch ästhetisch. Es lockt an und es lässt nicht los. Man kann später nochmal nachlesen, nachschauen, nachdenken. Flyer bieten oft schon nicht wenig, das KunstSchauFenster bietet als kleine Broschüre weit mehr. Wie sagte schon Schinkel: “Überall ist man nur da wahrhaft lebendig, wo man Neues schafft.”
Die Art, wie Geli Schulze Strukturen präsentiert, fasziniert. Vor den Schwärmen der Stare bleibt der Gast auch schon mal länger stehen. Was gerade noch betrachtet wurde, scheint einen schon zu umgeben. Als Kreatur in der Menge. Unsicher im Kurs? Eine Momentaufnahme von ungeheurer Dynamik.
Krasser könnte der Kontrast kaum sein: “Toter Spatz” ist da notiert. Wieder zwei Varianten. Keine Spur von Bewegung. Kein Zeichen von Gewalt. Ein natürlicher Tod? “Anmut und Würde” kommen zum Ausdruck, so ruhend, so schön ins Bild gesetzt wie unter dem Vergrößerungsglas der Kunst.
Auch die Werke “Noch nicht” und “Stur” sind Körperbilder, hier von Menschen, skizzenhaft und doch abgeschlossen. Ein tiefer Blick in die Seele, eine Haltung zur Welt, zum Leben.

Foto eines Ausstellungsstückes

Ein Blick ins KunstSchauFenster gedruckter Art. Foto: VHS

Immer mal wieder bleiben Passanten an diesem Sonntagnachmittag draußen stehen. Schauen. Reden. Die Cutouts fallen aus dem Rahmen. Etwa die große Biene. Oder der Käfer. Endlich mal Kafka in der Fontanestadt? Eine Verwandlung? Oder bloß Biologie? Wieder Strukturen, wieder Konturen. Kritik wird einmal auch laut: “Schade, dass man nicht in die Tiefe schaut.” Die KFS ist eben keine Galerie. Bis 2031 habe man noch viel vor, so Wynen.
Die Ausstellung läuft bis zum 20. Juli 2025. Über die Öffnungszeiten kann man sich auf der Hompage der KFS-Gesellschaft informieren. Und die Künstlerin präsentiert sich natürlich auch im Netz.