Unter den metaphorischen Redewendungen sind die “Stolpersteine” seit dem Jahr 2000 ein Sonderfall. Es gibt sie wirklich. Der Künstler Günter Demnig begann mit der genehmigten Verlegung von kleinen Gedenksteinen aus Messing für die Opfer der NS-Diktatur. Im Gedenken an die Pogrome am 9. November 1938 wurden die Neuruppiner Stolpersteine am Sonntag gereinigt.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Vor dem Haus Karl-Marx-Straße 22 gilt das Gedenken der 1850 geborenen Jüdin Emilie Drucker, geborene Trepp. Man erfährt, dass sie 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie am 22. Juni verstarb. Hochbetagt.
Stolpersteine beziehen sich stets auf den letzten privaten Wohnort. Sogenannte “Judenhäuser” sind keine Adresse, da dort unter Zwang einquartiert wurde. Stolpersteine ohne namentlichen Bezug wie in Neuruppin in der Nähe der einstigen “Irrenanstalt” bilden eine Ausnahme. Würdigung und Erinnerung sollen hier dem nicht immer eindeutig zu klärenden Leidensweg gelten, auch den Verbrechen der Eunthanasie. Das Gedenken umfasst alle Opfergruppen der NS-Zeit.

Der 9. November 1938 war ein Mittwoch. Die Zerstörung von Synagogen, Wohnungen und jüdischem Eigentum hatte Methode, unterschied sich aber von Ort zu Ort. Die Täterschaft beschränkte sich keineswegs auf die SA. In Neuruppin galt die entfesselte Gewalt primär den Wohnungen, gezielt gewählten Häusern und materiellen Gütern, teils auch religiösen Gegenständen oder Kunstwerken. Leib und Leben waren in Gefahr. Mittendrin die bedrohten Kinder und Jugendlichen, Kranke und Betagte.
Der 9. November 2025 war ein Sonntag. Die Bürgerinnen und Bürger, die sich am frühen Nachmittag beim Jugendwohnprojekt “Mittendrin” ganz im Zeichen von “Neuruppin bleibt bunt” auf den Weg durch die Stadt gemacht hatten, konnten den Schulplatz ohne Schwierigkeiten passieren. Noch hatte das bunte Treiben am letzten Tag des “Martinimarktes” nicht so richtig begonnen. Mit nachdenklichen Wortbeiträgen und musikalischen Einlagen wurde dieser Gang durch die Straßen der Stadt verantwortungsbewusst und bewusst unspektakulär gestaltet.

Fotos: VHS
Unter den Akteuren war auch Bürgermeister Nico Ruhle (SPD). Er hatte im “Kunstraum” bei der sehr gut besuchten Vernissage zur Ausstellung “Licht und Dunkel” ausdrücklich zur Teilnahme an der Stolpersteinaktion in Neuruppin aufgerufen.
Die auf die Putzaktion folgende musikalische Lesung im Jugendwohnprojekt kollidierte terminlich mit dem Konzert in der Klosterkirche. Synagogenmusik aus aller Welt erklang dort. Zuvor wurde von Pfarrer Klemm-Wollny ausdrücklich und eindringlich an die Ausschreitungen vom 9. November 1938 in Neuruppin und Umgebung erinnert. Namen von Jüdinnen und Juden, die in Neuruppin auf Stolpersteinen stehen, waren auch dort zu hören.









