Zwischen “Extremwetterlagen” und “Oststolz”

“Auch ohne den Siegeszug der AfD wäre die Gegenwart schwer auszuhalten”, schreibt Manja Präkels. “Resignation ist keine Option”, resümiert Alexander Prinz, ohne dass es ihm speziell um Parteien ginge. Die in Rheinsberg und Berlin lebende Autorin schreibt in “Extremwetterlagen”, das Nachwendekind ist in Halle beheimatet. Sein Sologesang hat den Titel “Oststolz”. Der Altersunterschied beträgt 20 Jahre. Andere Unterschiede sind nicht so leicht messbar. Da hilft nur Lesen.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Das Buch “Extremwetterlagen” versammelt “Reportagen aus einem neuen Deutschland”. Im Mittelpunkt steht das Superwahljahr 2024, speziell die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Außer Manja Präkels sind die Autorinnen Tina Pruschmann und Barbara Theriault beteiligt. Federführend bei dieser Feldforschung war der Sozialwissenschaftler Alexander Leistner. Die ehemalige Stadtschreiberin von Rheinsberg legt das Augenmerk vor allem auf Brandenburg.
Um ein neues Deutschland geht es dem Mann Anfang dreißig auch. Sich selbst sieht er bei aller Bescheidenheit als eine der Stimmen an, die guten Grund haben, ihre Erfolgsgeschichten zu erzählen. Seine hat viel mit Eigenaktivität, Unternehmertum und neuen Aktionsfeldern zu tun. Er ist bei YouTube unterwegs. Manja Präkels zum Beispiel ist viel mit dem Zug unterwegs. Musik machen beide. In der Heimat von Prinz sind im kommenden Jahr Landtagswahlen. An der Spitze der extrem umfragestarken AfD steht mit Ulrich Siegmund ein Vertreter der Prinzengeneration. Auf Facebook ist der ganz kurz nach der Einheit geborene Strahlemann hyperaktiv. Und siegesgewiss. Sein Oststolz ist anderer Art.
Präkels’ Anliegen ist es, wie eine Lokaleporterin unterwegs zu sein. Sie hat den Job schon mal gemacht für die MAZ, eine Schwester der HAZ. In den Jahren danach muss ihr allerdings das, was Lokaljournalismus ausmacht, was ihn attraktiv macht, was ihn schwer macht, was nervt, was kitzelt, was er bedeutet im Kräftegefüge einer parlamentarischen Demokratie, völlig entglitten sein. “Auf Durchreise” – diese Ortsbestimmung gilt auch für das Schreibprojekt. “Brandenburg ist vielen nur als Durchfahrtsland bekannt”, schreibt sie. Und fährt und fährt.

Untergangstimmung in Rheinsberg oder ein Hauch von Ostkulturstolz?
Fotos: VHS

Ein Ausflug führt im Sommer 2024 nach Teltow-Fläming. Diesmal mit dem Auto. “Vor einer alten Sowjetkaserne döst ein Schäferhund in der Sonne.” Stimmungsbilder sind ihr Stärke. Mit wenigen Strichen. Gegen Ende ihrer Aktionen notiert sie: “Um zu verstehen, wie es den Menschen in den Provinzen geht, wer sie sind und was sie hoffen, ist es wichtig, sich als Teil von ihnen zu begreifen.” Für sich nimmt sie das in Anspruch. In “Angstlandschaften” war sie ja reichlich. Aber eher als Stimmungsbarometer, als Seismografin. Doch wer wollte ihr vorwerfen, das Gepräch nicht gesucht zu haben als Lokalreporterin, wenn sie in Luckenwalde mitbekommt, was geredet wird: “Sind nur noch Ausländer aufm Boulevard.” Ist das Nationaldeutsch? Um “Schwatte” geht es. Es wird gehetzt. Nazinah. Es ist Schützenfest. “Kanone kommt!’ Zeit zu gehen,” schließt Präkels. Wie mögen die laut Tönenden die fremde Zeitzeugin wohl wahrgenommen haben? Eine von “die verhassten Jrünen”?
In “Oststolz” ist auch die Rede vom Weggehen. Rübermachen. Richtung Westen. “Wenn immer mehr Menschen eine ländliche Region verlassen, gerade die Jungen, die Qualifizierten, die potenziellen Gründer, setzt sich eine unheilvolle Abwärtsspirale in Gang”, schreibt Prinz. Das mit den “Jungen” soll sicher der Generation gelten, nicht dem Geschlecht. Die deutsche Sprache hat diese Fallstricke. Im Osten sieht Prinz gute Gründe für Gründer. Wie viel Mär in seiner Gewinnergeschichte steckt, lässt sich bei einfacher Lektüre nicht sagen. Als “Nachwendekind” kann Prinz die vierzig Jahr währende deutsche Teilung nicht kennen. Aber ihre Nachwirkung. Und wie die Menschen darauf zurückblicken, etwa der Vater, der irgendwann “mit dem System endgültig ‘durch’ war”. Eine Wahlempfehlung formuliert der “junge Parabelritter” nicht. Dass er “metal” mag und macht, ist bekannt, ist Teil seines Weges. Manja Präkels geht es musikalisch sanfter an, aber nicht besänftigt. Ihre “Gauland”-Erfahrung ist legendär. Auf ihre Songs dürfte sie auch stolz sein. Und auf das Erbepflege von Erich Mühsam.
Die beiden Bücher im Wechsel zu lesen, hat seinen Reiz, dann natürlich auch die hier vernachlässigten Stimmen. “Ob die Dämme halten?”, fragt Manja Präkels voller Skepsis. Ob Alexander Prinz mit “Oststolz” ein Selbstbewusstsein im neuen Deutschland stärkt, das ohne Hass und Verachtung auskommt?

Debatte: Energiewende neu denken- zwischen Kostendruck und Klimaveranwortung


Die Energiewende muss neu gedacht werden – nicht als Bremse, sondern als Beschleuniger für Wohlstand, Unabhängigkeit und Klimaschutz. Freie Marktkräfte allein reichen nicht aus, um Klimaneutralität zu erreichen – der Staat muss lenkend eingreifen und klare Leitplanken setzen. Stadtwerke, wie die in Neuruppin, tragen dabei besondere Verantwortung: Sie gestalten die lokale Energiewende aktiv mit und unterstützen die Stadt auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit.

Von: macron

Im aktuellen IHK-Magazin fordert der Geschäftsführer der Neuruppiner Stadtwerke, Thoralf Uebach, die Energiewende müsse „neu gedacht“ werden. Sein Appell spiegelt die Sorgen vieler Brandenburger Unternehmen wider: hohe Strompreise, wachsende Bürokratie, drohende Produktionsverlagerungen und der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Tatsächlich sieht sich die Wirtschaft mit massiven Kostensteigerungen konfrontiert – doch die Ursachen liegen komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.

Zwar sind die Energiepreise hoch, aber nicht die Erneuerbaren treiben sie, sondern die fossilen Energieträger. Im europäischen Strommarkt bestimmt das teuerste erforderliche Kraftwerk – meist ein fossiles – über das sogenannte Merit-Order-Prinzip den Strompreis. Das heißt: Gas- oder Kohlekraftwerke legen die Preismarke fest, auch wenn der Großteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammt. Je schneller ihr Anteil sinkt, desto stärker kann auch der Strompreis entlastet werden (vgl. 100 % Renewables Action Plan, S. 14ff) (Heinrich Böll Stiftung Brussel).

Ein zügiger Ausbau der Erneuerbaren ist damit nicht nur klimapolitisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Wer den Preisdruck auf Unternehmen verringern will, muss den Anteil fossiler Energien konsequent reduzieren – nicht die Transformation abbremsen.

Von Maimaid – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0,Thomas Schütte Vater Staat

Marktkräfte allein reichen nicht – der Staat muss lenken

Die Idee, den Umbau des Energiesystems stärker über Marktmechanismen zu steuern, hat ihren Reiz: Sie kann Flexibilität fördern und Bürokratie verringern. Doch die wissenschaftliche Literatur und praktische Erfahrungen zeigen klar, dass freie Marktkräfte bei weitem nicht ausreichen, um Klimaneutralität zu erreichen — der Staat muss gezielt intervenieren.
In der ökonomischen Theorie gilt Klimawandel als klassisches Marktversagen: negative externe Effekte (z. B. CO₂-Emissionen) werden von den Marktakteuren nicht internalisiert, solange sie keinen Preis haben. Deshalb ist staatliche Regulierung notwendig, um diese externalen Kosten zu berücksichtigen und Anreize zur Emissionsreduktion zu setzen (z. B. durch CO₂-Steuern oder Emissionshandel) (vgl. LSE Explainer: Why do economists describe climate change as a market failure) (LSE).
Darüber hinaus identifizieren neuere Studien sogenannte Innovations-Marktversagen — etwa Know-how-Transfer, hohe Anfangsinvestitionen, Finanzierungsbarrieren und Koordinationsprobleme — als Hindernisse für klimarelevante Technologiedurchbrüche. In solchen Fällen sind öffentliche Förderung, gezielte Investitionen und regulatorische Impulse unerlässlich (vgl. Innovation Market Failures and the Design of New Climate Policy, Armitage et al.) (NBER).
Eine aktuelle Analyse des Fraunhofer ISE über Pfade zu einem klimaneutralen Energiesystem betont, dass Szenarien ohne beschleunigten Netz- und Infrastrukturausbau, ineffiziente Genehmigungsverfahren und fehlende politische Steuerung deutlich höhere Kosten und Risiken aufweisen (Modell REMod) (Fraunhofer ISE). In diesen Modellen wird deutlich: Staatliche Steuerung, klare Leitplanken und infrastrukturelle Maßnahmen sind notwendig, um technisch und wirtschaftlich tragfähige Transformationspfade zu realisieren (z. B. durch beschleunigte Genehmigungen) (Fraunhofer ISE).
Auch Berichte zur regionalen Transformation in Deutschland fordern ausdrücklich den Ausbau von Strom- und Wasserstoffnetzen – ohne staatliche Koordination läuft dieser Ausbau zu langsam, um die Erneuerbaren sinnvoll zu integrieren (Clean Energy Wire).
In Summe ergibt sich: Der Staat darf sich nicht zurücklehnen – er muss als Lenker, Impulsgeber und Koordinator auftreten, um Marktmechanismen zu ergänzen und die Krise der Klimatransformation zu steuern.

Peter Buggehout, Babel Variationen II, 2025, mixed material Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal
Foto: macron

Technologieoffenheit – ja, aber mit Prioritäten

Neue Technologien wie Wasserstoff oder CO₂-Speicherung müssen Teil der Energiewende sein. Doch Technologieoffenheit darf kein Vorwand sein, bewährte regenerative Energien auszubremsen. Der schnellste und günstigste Weg zu sauberem Strom bleibt der Ausbau von Wind- und Solarenergie.
Die Studienlage ist eindeutig: In Szenarien mit beschleunigtem Ausbau erneuerbarer Technologien schneiden Transformationspfade günstiger ab. Der Umbau zu einem erneuerbaren System senkt langfristig Betriebskosten und stärkt Energieautonomie. Das Fraunhofer ISE betont die Rolle von Flexibilitätsoptionen, Effizienzmaßnahmen und digitalen Lösungen, um variable Erzeugung zu integrieren (Fraunhofer ISE).
Analyse zur flexiblen Elektrifizierung zeigen beispielsweise, dass anpassbare Nachfrage in Wärme, Elektromobilität oder Industrie helfen kann, Spitzenlast und Überschussproduktion zu reduzieren – eine Schlüsselrolle bei der Integration schwankender Erneuerbarer (arXiv).

Bürokratie abbauen – eine Notwendigkeit, aber kein Ausstieg aus Verantwortung

Uebachs Kritik an überbordender Bürokratie ist berechtigt. Komplexe Berichtspflichten, lange Genehmigungsverfahren und uneinheitliche Vorschriften verzögern Investitionen und blockieren Innovation. Ein Abbau von Bürokratie ist daher dringend nötig – allerdings nicht, um staatliche Steuerung aufzugeben, sondern um sie effizienter und zukunftsfähiger zu gestalten.
Gerade kommunale Energieversorger wie die Stadtwerke Neuruppin tragen hier besondere Verantwortung. Sie sind nicht nur Versorger, sondern Projektentwickler der lokalen Energiewende. Mit Investitionen in erneuerbare Energieanlagen, effizientere Netze und innovative Wärme-Konzepte können sie die Stadt in ihrem Nachhaltigkeitsprozess konkret unterstützen. Im Rahmen des zu erarbeitenden Nachhaltigkeitskonzepts der Stadt Neuruppin sind die Stadtwerke Partner der Kommune, Wirtschaft und Bürgerschaft – eine Schnittstelle, an der wirtschaftliche Vernunft und ökologische Verantwortung zusammengeführt werden können.

Realismus statt Rückschritt – in die Zukunft investieren

Wenn Deutschland wettbewerbsfähig bleiben will, darf es nicht auf fossile Strukturen setzen. Hohe Energiepreise sind kein Argument gegen Klimaschutz – sie sind eine Folge unvollendeter Transformation.
Die Energiewende muss tatsächlich neu gedacht werden – nicht als Bremse, sondern als Beschleuniger für Wohlstand, Unabhängigkeit und Innovation. Nur wenn fossile Kostenfaktoren sinken, die Bürokratie schlanker wird und der Staat kluge Leitplanken setzt, kann Energie in Deutschland wieder bezahlbar und zugleich klimafreundlich werden.

Das Projekt Sternenpark lässt auch an zwei Neuruppiner denken

Der Antrag des Landrats ist abgeschickt, nun gilt es abzuwarten, ob die Kyritz-Ruppiner Heide zum Sternenpark erklärt wird. Mit der kühleren Jahreszeit könnte der Blick noch klarer werden. Einen besonderes Auge für die Sternenpracht hatten schon zwei Söhne Neuruppins, der eine sogar als Astronom.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

“Sternenhalle der Königin der Nacht”, heißt das Werk von Karl Friedrich Schinkel. Um 1815 soll es entstanden sein als Auftragsarbeit. Für die zweite Szene der Oper “Die Zauberflöte” von Wolfgang Amadeus Mozart gestaltete der Künstler diesen Entwurf. Die Fachwelt lobt nicht die Millimeterarbeit, sondern die sichere Hand für das Himmelsgewölbe. Die Mondsichel lässt viele Assoziationen zu. Symmetrie prägt das Bild. Ein Firmament liegt über den Betrachtenden.
Von Carl Wilhelm Ludwig Martin Ebell weiß man, dass es nicht um den Blick des Künstlers oder die Schwärmerei der Dichtkunst ging, nicht um den Himmel der Religionen, sondern um nichts anderes als Astronomie. Am 29. April 1871 erblickte er in Neuruppin das Licht der Welt. Berlin, Straßburg und Kiel waren die Stationen seiner Laufbahn – nicht nur klimatisch sehr unterschiedlich. Ein klarer Blick soll ihm wichtig gewesen sein. In Straßburg blieb er bis 1901, arbeitete von dort aus aber schon an den in Kiel erscheinenden Astronomischen Nachrichten mit. Später wurde das der Mittelpunkt seiner Arbeit. Im Jahr 1938 schied er aus und kehrte nach Neuruppin zurück, wo er am 28. November 1944 verstarb.

Die Fachwelt weiß, dass er als erster Astronom den Orbit des Kometen 97P/Metcalf-Brewington berechnete. Zwei von Kal Wilhelm Reinmuth entdeckte Asteroide tragen die Namen “Ebella” und “Ruppina”. In seiner Geburtsstadt erinnert die Martin-Ebell-Straße an den Sohn der Stadt. Sie liegt nicht gerade im Zentrum. Vielleicht ein Grund, im Zusammenhang mit dem Sternenpark seiner zu gedenken. Und sei es bloß durch solide Informationen an passender Stelle. In Neuruppin selbst werden Gästeführungskräfte den Mann sicher nicht auslassen. Die Straße erzählt (noch) nicht, warum sie so heißt.

Literatur-Festival, Schulprojekttage, Schreibworkshops – alles mit Tucholsky

Eigentlich sollte es primär um den Stadtschreiber Max Czollek und seine Schreibarbeit gehen. Der “Rettung des Tucholsky-Museums” hatte er sich Ende 2024 gewidmet. Nach seiner Lesung ergaben sich vor allem aus dem Publikum Perspektiven, die weit über den politischen Streit hinausgehen. Und ein Überraschungsgast war auch da.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Peter Graf sah viele interessierte Gesichter vor sich, als er einführend über seine Erfahrungen als neuer Mitarbeiter berichtete. Ein Klagelied klingt anders. Es wirkte, als habe er Peter Böthigs verdienstvolle Arbeit fortsetzen können. Kein Wort von politischer Pression oder amtlicher Gängelung. Von Langeweile allerdings auch nicht bei zeitlich verdichteter Arbeit. Für 2026 plane man ein Tucholsky-Literatur-Festival, verriet Graf. Man will Neuland betreten. Und mit der Akademie der Künste in Berlin sei man auch wieder in Kontakt.
Tucholskys Werke sind laut Max Czollek für eine lebendige Demokratie von grundsätzlicher Bedeutung. Aber sein als “links” und weltoffen einzuschätzende Position könnte rechtsnationalen oder rechtsextrem einzuschätzenden Kräften Anlass geben, das Bewahren in Häusern wie dem Tucholsky-Museum zu erschweren oder zu beenden. In den USA läuft das Lehrstück gerade. Czolleks Lesung aus seinem Essay ließ deutlich werden, wie er die Konflikte um das Tucholsky-Museum erlebt hat und sieht, was man befürchtete, was man unternahm, was passierte. Sogar ZDF und FAZ berichteten von den Vorgängen und Befürchtungen in der Provinz. Besorgte und empörte Autorinnen und Autoren veröffentlichen in der TAZ ihre Sicht, darunter auch andere Stadtschreiber. Max Czollek macht im Text und im Gespräch klar, dass der “Fall Tucholsky-Museum Rheinsberg” nicht erledigt sei. Das Datum unter dem Rheinsberger Bogen ist der 27. September 2025.

Arne Linnemann teilt die Sorgen, setzt aber ganz auf aktive Museumsarbeit.

Arne Linnemann vom Museumsverband Brandenburg zeichnete kein finsteres Bild von der Museumslandschaft. Doch die Zukunft könnte anders aussehen, das wurde klar. Das Geld ist knapp, die Konkurrenz der Finanzbedürftigen ist nicht zu unterschätzen, wenn man etwa an die Schulen denkt, von Infrastruktur, Digitalisierung und öffentlicher Sicherheit gar nicht erst zu reden. Viel hängt also von den politischen Konstellationen ab – auf kommunaler Ebene, im Land und im Bund. Hinweise von Czolek und Linnemann auf Bundesländer wie Sachsen-Anhalt verdeutlichten die Sorge, eine AfD-Landesregierung oder eine AfD-geführte Koalition könnte ab Ende 2026 wie zur Generalprobe vielen Demokratie-Initiativen und Vielfaltsprojekten den Geldhahn abdrehen. Alarm mochte Linnemann allerdings noch nicht schlagen.
Aber Robert Färber, der Vorsitzende der in Berlin ansässigen Kurt-Tucholsky-Gesellschaft. Er gab aus dem Publikum heraus der Sorge Ausdruck, die Forschung rund um Tucholsky könne (noch mehr) leiden, wenn das Museum nicht frei sei von amtlicher Bevormundung. Schon solchen Begriffen widersprach Ellen Krukenberg als städtischerseits Zuständige vehement und verwies auf die Kontinuität der Arbeit, wie Peter Graf sie umrissen hatte.
Im Publikum erhob sich eine Stimme, die die Gefahr krasser ausmalte als Färber, ausgehend vom Fall Rheinsberg. Es gab aber auch Wortbeiträge, die von viel zu geringer Verankerung der Museumsarbeit in der Bevölkerung ausgingen. Man hörte konstruktive Vorschläge, die viel Beifall fanden: Museumsbesuch von Schulklassen, Projekte an den Schulen im Geiste Tucholskys, offene Workshops und eine Modernisierung der Rheinsberger Bogen, aus Kostengründen primär und zuerst im Netz.

Bürger oder Bürgermeister? Frank-Rudi Schwochow im Tucholsky-Museum.
Fotos: VHS

Dass Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow (BVB/Freie Wähler) zugegen war, ließ eigentlich eine direkte Kontrorverse erwarten. Erst gegen Ende ergriff der massiv Angegriffene das Wort, wies die von Czollek gewählte Terminologie entschieden zurück, denn er sei kein “Rechtsextremist”. Und außerdem: Seine Wähler seien nicht als “nicht-demokratisch” einzustufen. An der Bedeutung des Schriftstellers und Journalisten Kurt Tucholsky – für Rheinsberg und weit darüber hinaus – ließ der Bürgermeister als Bürger keinen Zweifel. Das war neu. Keine Hand rührte sich, um zu applaudieren.
Max Czollek nahm nichts zurück, schon weil Tucholsky den Rechten vom Schlage der AfD ein Dorn im Auge sein müsse durch seine Opposition gegen die nationalen, nationalistischen und nationalozialistischen Strömungen und Wortemacher. Von der jüngsten “Stadtbild”-Rhetorik des amtierenden Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) distanzierte sich der Stadtschreiber ganz deutlich. Hautfarbe als Kriterium? Joseph Goebbels lasse grüßen.
Richtig nah kamen sich die beiden Kontrahenten nicht. Schwochow hörte, was Czollek notierte: “Tucholsky ist mehr als Tourismus, Rheinsberg ist auch mehr als sein Bürgermeister.” Irgendwo wurde später eher halblaut gemutmaßt, dass Frank-Rudi Schwochow den Schritt ins selbstverursachte Minenfeld getan habe, weil er Landrat werden wolle. Max Czollek zumindest bedankte sich für die mit dem Besuch zum Ausdruck gebrachte “Wertschätzung”.

Petition zum RE 6-Ausbau mit breiter Unterstützung an den Landtag übergeben

Petition zum Ausbau des Prignitz-Express RE 6: 1.400 Unterschriften und politische Unterstützung für eine Inbetriebnahme bis 2027.
Von: macron

Neuruppin / Potsdam.

Mit klarer Botschaft und 1.400 Unterschriften im Gepäck übergab Martin Cron gemeinsam mit Unterstützerinnen und Unterstützern die Petition „Für den zügigen Ausbau der Bahnstrecke des Prignitz-Express RE 6“ an den Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Landtages Brandenburg, Udo Wernitz.

Die Initiative fordert:

  • den zügigen Ausbau der Bahnstrecke zwischen Berlin und Neuruppin (und weiter),
  • Übergangslösungen mit halbstündlich alternierenden Fahrten über Löwenberg – Oranienburg bis zum Ausbaubeginn der Streckke über Hennigsdorf,
  • und einen verlässlichen Halbstundentakt für eine bessere Anbindung der Region.

Unterstützung aus Politik und Zivilgesellschaft

Die Petition fand breite Unterstützung – unter anderem von Bündnis 90/Die Grünen, der CDU Neuruppin sowie dem Verein Klima und Alltag.
Vertreterinnen und Vertreter dieser Organisationen waren – neben weiteren Mitgliedern der Zivilgesellschaft – bei der Übergabe anwesend.

Wir übergeben diese Petition mit großer Hoffnung – das Land darf die Menschen in Ostprignitz nicht weiter vertrösten. Wenn Politik von Klimaschutz, ländlicher Entwicklung und Mobilitätsgerechtigkeit spricht, dann muss sie jetzt handeln“,

erklärte Martin Cron bei der Übergabe. Er betonte, dass bessere Bahnverbindungen kein Luxus seien, sondern eine Notwendigkeit für die Zukunftsfähigkeit der Region:

„Ein verlässlicher Halbstundentakt und bessere Schienenverbindungen sind entscheidend, damit unsere Region lebendig und zukunftssicher bleibt.“

Mit der Übergabe ist klar: Die Forderung nach einem Ausbau des RE 6 ist längst kein reines Bürgeranliegen mehr, sondern ein politischer Auftrag.
Das Land Brandenburg steht nun in der Pflicht, die Region nicht im Stich zu lassen und den Prignitz-Express endlich fit für die Zukunft zu machen.

Ein weiterer Schrittzum 1/2 Stunden Takt?
Foto: Anna Cron

Hintergrund:
Der Prignitz-Express (RE 6) verbindet Neuruppin und die Prignitz mit Berlin. Seit Jahren fordern Pendlerinnen, Pendler und Kommunen den zweigleisigen Ausbau und häufigere Verbindungen, um Staus und lange Fahrzeiten zu vermeiden. Bereits im Dezember 2024 hatten das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (MIL), die DB InfraGo und die DB Energie GmbH angekündigt, den Realisierungs- und Finanzierungsvertrag für das i2030-Projekt „Prignitz-Express Velten – Neuruppin“ auf den Weg zu bringen.
Der Vertrag sollte die Voraussetzung schaffen, den ambitionierten Zeitplan mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2027 einzuhalten. Geplant waren unter anderem Ausführungsplanung, Ausschreibungsunterlagen und bauvorbereitende Maßnahmen – finanziert über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG), zunächst abgesichert durch das Land Brandenburg.
Tatsächlich jedoch hat sich die Umsetzung deutlich verzögert. Die damals gesetzten Meilensteine konnten bis heute nicht eingehalten werden, was neue Unsicherheiten für den weiteren Ausbau des Prignitz-Express (RE 6) zwischen Velten und Neuruppin mit sich bringt.
Damit steht auch das Ziel einer Taktverdichtung auf zwei Züge pro Stunde zunehmend in Frage.

mehr dazu: https://www.i2030.de/zeitplan-fuer-inbetriebnahme-der-taktverdichtung-prignitz-express-velten-neuruppin-soll-eingehalten-werden/

Feierliche Verleihung des Schinkel-Preises 2025 im Museum Neuruppin

“Wohnen – Mensch – Natur” – mit diesen Leitworten umreißt die Neuruppiner Wohnungsbaugenossenschaft “Karl Friedrich Schinkel” das sozial-ökologische Wohnprojekt “An der Pauline”. Mit dem Schinkel-Preis 2025 wird die Arbeit gewürdigt. Ein Fachvortrag bot Hintergrundinformationen. Bewegende Musik war zu hören. Am Ende wurde angestoßen – auch auf Karl Friedrich Schinkel.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Matthias Frinken begrüßte im Namen des Vorstandes der Karl-Friedrich-Schinkel-Gesellschaft die zahlreichen Gäste im Saal des Museums – darunter auch Bewohner der besagten Einrichtung. Frank Borchert, der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft, nahm die Urkunde als Zeichen der Auszeichnung entgegen. Zuvor hatten Nico Ruhle als Bürgermeister und Mario Zetsche als Leiter des Amtes für Kultur und Tourismus den Blick bereits auf das Schinkel-Jahr 2031 gerichtet. Dann liegt der Geburtstag von Karl Friedrich Schinkel 250 Jahre zurück. Aus dem Fontane-Jahr 2019 weiß man, wie wichtig eine gezielte und umfassende Vorbereitung ist für den Erfolg. Es war Zetsche anzumerken, dass man seitens der Stadt einiges vorhat, wenn die Stadtverordneten den Auftrag erteilen. Der ins Auge gefasste “Schinkelplatz” rund um die Kulturkirche könnte sicher deutlich vor 2031 eine “erste Adresse” in Neuruppins Kulturleben werden, gerade auch für Auswärtige, hatte sich Bürgermeister Ruhle schon bei der Gedenkveranstaltung am Denkmal überzeugt gezeigt.
Durch ihre wunderbaren musikalischen Beiträge an Bass und Schlagwerk erzeugten Karoline Körbel und Berit Jung eine Stimmung der Besinnung und der Lebensbejahung. Mal sind es fast zärtliche Berührungen und sanfte Striche, mal geht’s in hohe Frequenzen oder es wird kraftvoller geschlagen, um Zeichen zu setzen. Der Gesang der Frauen wirkt klar und stark: “We shall overcome” – Klangkunst als wirkungsvolle Botschaft. Wohltuend im Lärm der Wirrnisse der Welt. Herzlicher Applaus als Anerkennung und Dank.

Einfach faszinierend! Karoline & Berit mit Impro, Pop, Jazz und Gospel.
Foto: VHS

Für Matthias Frinken lässt sich die Entwicklung des Genossenschaftswesens in Deutschland seit 1868 in fünf Phasen einteilen. Der politische Kontext könnte kaum unterschiedlicher sein, doch die Idee gemeinsam verantworteter Lebensgestaltung blieb stets bestimmend. Was das heute im Land Brandenburg heißt, veranschaulichte Matthias Brauner vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen mit Zahlen und Grafiken aus den letzten Jahren. Nicht erst jetzt ist bezahlbares Wohnen ein Politikum. Als bedingt optimistisch wird man Brauners Worte und Daten verstehen können, etwa im Hinblick auf die neuen Angebote und die Auslastung. Demografie und Geografie, Infrastruktur und Politik kommen ins Spiel. Berlin als Metropole ist nicht weit entfernt und doch weit genug, wenn man modern, aber mit Muße, urban, also nicht in Waldeseinsamkeit wohnen, also leben will. Also in Neuruppin? Und wo zum Beispiel?

Schinkel-Preis 2025 Neuruppin
Einfach unverzichtbar! Matthias Brauner über das Genossenschaftswesen.
Foto: VHS

Frank Borchert konnte vor der Preisverleihung einen Blick von oben auf das Projekt “An der Pauline” präsentieren. Drohnen machen’s möglich. Das vielfältige Angebot von der modernen Kindertagesstätte bis zur behutsamen Alterspflege wurde sichtbar. Später ging’s in Wort und Film hinunter bis zu den technischen Anlagen. Vom ständigen Lernprozess war die Rede angesichts der ökologischen und materiellen Herausforderungen. Durch die persönlichen Worte der “Pauliner” wurde deutlich, welche Gedanken und Hoffnungen mit der Entscheidung für das Projekt einhergehen können. Dass nach ein paar Jahren nichts zu bereuen ist, war zu hören, aber auch zu spüren. Persönliche Freiheit und freiwillige Gemeinschaft prägen dieses Neuruppiner Projekt. Man kooperiert mit ESTA, den Stadtwerken und der Stadt und bleibt doch Wohngenossenschaft, also auch der von Matthias Frinken erwähnten großen Idee verbunden. Die Umsetzung war das Ergebnis von politischen Kämpfen, das könnte man heute leicht vergessen. Schon die 68er des 19. Jahrhunderts gingen eben in die Geschichte der Emanzipation im besten Bürgersinne ein. Auch durch Klugheit.

Einfach schön! Ein Blick auf das Wohn- und Lebensprojekt “An der Pauline”
Foto: WBG Neuruppin

“Wie schön!”, war mehr als ein spontaner Kommentar aus dem Publikum im Hinblick auf die Ästhetik des großen Baukomplexes. Zu Fuß oder mit dem Rad kann man sich leicht einen Eindruck von der Atmosphäre verschaffen. Gärten gehören natürlich auch dazu. Dann sieht man auch, dass die Arbeit weitergeht. Nun am alten Paulinenauer Bahnhof. Denkmalpflege im Neubaugebiet – sollte man gar nicht denken. WOMENA – ein Projekt im Sinne von Karl Friedrich Schinkels Satz: “Überall ist man nur da wahrhaft lebendig, wo man Neues schafft.”
Außer der Urkunde und dem Preisgeld von 1000,00 € wurden Präsente überreicht. Kräftiger Applaus galt den Ausgezeichneten, aber auch den Veranstaltern um Matthias Frinken und Otto Wynen. Als Vorstandsmitglieder waren Angrid Marienfeld-Lungfiel und Gottfried Lungfiel extra aus Hamburg angereist, um an der Gedenkveranstaltung am Schinkel-Denkmal und an der Preisverleihung teilzunehmen. Und das Team um Carola Aglaia Zimmermann vom Museum Neuruppin hatte keine Mühe gescheut, um auch den Ausklang mit Sekt und kleinen Köstlichkeiten festlich und feierlich zu gestalten. Sonderapplaus!

Würdevolles Gedenken an den Tod von Karl Friedrich Schinkel im Jahre 1841

Schinkeldenkmal auf dem Kirchplatz

Sein Tod muss qualvoll gewesen sein. Das Gedenken an Karl Friedrich Schinkel, den Sohn Neuruppins, der 1841 in Berlin nach einem bewegten Leben und Monaten des Bangens und Leidens verstarb, war würdevoll. Spät am Nachmittag konnte man am Denkmal mit Passanten ins Gespräch kommen, die sich über die Blumen wunderten.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

“Ein Geburtstag?” Selbst ein paar Einheimische zeigten sich uninformiert. Es bleibt also noch viel zu tun bis zum Jahr 2031, wenn Schinkels Geburt 250 Jahre zurückliegt. Hier ging es eigentlich primär um seinen Tod. Der Vorstand der Karl-Friedrich-Schinkel-Gesellschaft hatte eingeladen. Und es kamen keineswegs nur Mitglieder.
Matthias Frinken erinnerte als Mitglied des Vorstands der KFSG an die Kindheit von Karl Friedrich in Neuruppin. Der Vater war Pfarrer. Er war – genauso wie die Mutter -ziemlich modern eingestellt. Man förderte den Nachuchs. Das um sich greifende Feuer im Jahre 1787 war eine Zäsur für die Stadt, für die Familie, für Karl Friedrich. Der Vater starb kurz darauf. Die Mutter bezog mit ihren Kindern eine kleine Wohnung in der Fischbänkenstraße im Predigerwitwenhaus. Da mehrere betroffene Familien Zuflucht fanden, dürfte es beengt gewesen sein. Ob hier der Wunch nach Weite gewachsen ist? Landschaftlich, aber auch räumlich? Der Museumskundler Jan Mende spricht in seinem 2024 erschienenen Werk über Schinkel und sein Seelenleben von einer “Gigantenwohnung” in der Berliner Bauakademie. Dort verstarb Karl Friedrich Schinkel am 9. Oktober 1841. Seine geliebte Frau Susanne war in seiner Nähe.
Bürgermeister Nico Ruhle würdigte den berühmten Architekten, Maler und Designer. Ruhle kann sich vorstellen, folgt man seinen Worten, dass ein “Schinkelplatz” rund um die Kulturkirche in mehrfacher Hinsicht auch werbewirksam sein würde, ganz abgesehen vom biografischen Bezug. Die Pfarrkirche stand ja dort, ebenso das Pfarrhaus. Wo genau, war wieder einmal Thema unter den Versammelten. Geworben für die zahllosen Events in der Kulturkirche würde mit dieser Adresse. Gäste von auswärts suchten den beliebten Veranstaltungsort nicht mehr am Kirchplatz. Im Mittelpunkt des evangelisch-lutherischen Gemeindelebens steht ja ohnehin die Klosterkirche am Ruppiner See. Ob es dennoch Einwände gibt gegen den neuen Namen? Die Debatte ist eröffnet. Das Wort von der “Fontane- und Schinkelstadt” fiel sogar.
Matthias Frinken sieht eine Chance des Jubiläumsjahrs in der Kooperation mit Partnern aus der Welt der Kultur und der Wissenschaften. Da ist man längst tätig geworden. Und es geht nicht nur um Berlin, die andere “Schinkelstadt”, oder Potsdam, die Preußenstadt. Zu Hause ist man damit befasst, den Auftritt der Karl-Friedrich-Schinkel-Gesellschaft zu erweitern, das Haus zu öffnen und gute Gründe zu bieten, die Räume zu betreten. Erst kürzlich waren vierzig dem Denkmalschutz verpflichtete Gäste mit Günter Rieger im Schinkel-Haus. Matthias Frinken referierte. Paar Tage später eine Gruppe Frauen, die an verschiedenen Brandenburger Volkshochschulen tätig sind. Otto Wynen faszinierte, indem er mit Wolfgang Harichs köstlichem Vergleich von Neuruppin und Neuyork brillierte. Das liegt nicht im Alten Land. Es geht um Planquadrate, um Straßenzüge, um Plätze – in Neuruppin der Not geschuldet. Der Verfasser las Liebesschwüre von Schinkel. Bei Susanne wusste er auch die zugesandten Reisetagebücher in guten Händen. Kein Wunder, dass das Versprechen der Damen zu hören war, sich fürderhin mehr mit Schinkel und Neuruppin zu befassen.

Karl Friedrich Schinkel Neuruppin
Das Schinkeljahr 2031 schon klar im Blick: Nico Ruhle und Matthias Frinken.
Foto: VHS

Tagestouristen aus NRW zeigten sich am Rande der Veranstaltung am Samstag am Denkmal beeindruckt von den Bemühungen in Neuruppin, Schinkel nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. “Alles Gute für Ihre Bemühungen”, riefen sie am Ende rüber. Der alljährlich verliehene Schinkel-Preis gehört auch dazu. Die Zeit reichte, um das Museum zu erreichen, wo wieder einmal die Preisverleihung stattfand. In diesem Jahr an die Wohnungsbaugenossenschaft “Karl Friedrich Schinkel”.

Denkmalschutzkontroverse in Rheinsberg um ein städtisches Gebäude

Gebaüde in Rheinsberg mit Malereien

Auf den ersten Blick denkt man nicht an ein denkmalgeschütztes Haus, wenn man das städtische Gebäude in der Kirchstraße betrachtet. Das Haus zur Linken zeigt oben übermaltes altes Fachwerk, zur Rechten gibt’s im Oktober herrliches Herbstlaub und ein wirklich betagtes Haus. Das Auge der unteren Denkmalschutzbehörde beim Landkreis aber richtet sich auf das renovierte Gebäude mit dem von Silke Thal künstlerisch gestalteten Fries. Und beklagt Gesetzesverstöße.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Um Geschmacksfragen geht es also nicht. Die Idee, an einem Haus auf die Anlässe hinzuweisen, die Menschen hier zusammenkommen lassen oder ließen, hat Tradition in der Baukunst. Man denke nur an das Handwerk. Silke Thal bietet im Hintergrund die historische Kulisse, also Rheinsbergs beste Seite mit dem Schloss und anderen signifikanten Elementen. Die farblich hervorgehobenen Motive wirken plakativ, aber nicht aufdringlich. Die Farbwahl passt ins Gefüge der Stadt mit ihren denkwürdigen Bürgerhäusern.
Die zuständige Behörde in Neuruppin sieht allerdings einen Gesetzesverstoß. Denkmalschutz sei nicht beachtet worden. Verschiedene Daten für die Abwicklung kursieren. Der zuständige Architekt Peter Köster räumt gegenüber der Presse Versäumnisse ein. Er hofft, der Konflikt lasse sich auf unterster Ebene lösen und führe nicht zur Beseitigung der Kunst am Bau. Laut Landkreis laut Presse ist der Stadt eine Frist von drei Monaten für die Beseitigung gegeben. Sie läuft seit September. Das genaue Datum kennen die Akten. Und der Rheinsberger Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow (BVB/Freie Wähler) sicherlich auch.

Denkmalschutz Rheinsberg
Junge Menschen im Gespräch – Debatte als Motiv der dezenten Wandkunst.
Fotos: VHS

Genau fünfzig Jahre ist es her, dass der Europarat eine große Kampagne in Sachen Denkmalschutz startete. Damals waren sogar Länder wie Ungarn und Polen mit dabei, die DDR nicht. Auf einem Kongress in Amsterdam ging es 1975 darum, sich gegen die Abrissorgien zu positionieren. In der Karl-Friedrich-Schinkel-Gesellschaft erinnerte man eben erst daran. An Dilemmata ist seitdem kein Mangel, allüberall. Nun also auch im schönen geschichtsträchtigen Rheinsberg, allerdings eine Nummer kleiner.
Der Presse war zu entnehmen, dass der 2024 im Terminstress vergessene Antrag nun von Köster nachgereicht worden sei. Als ehemaliger Bürgermeister lobt Manfred Richter die Arbeit der Künstlerin am Bau. “Dezent und unauffällig”, das sei Thal gelungen, ganz wie beauftragt. Und mit Humor, das Lob ließe sich ergänzen. Man schaue nur auf den Kniefall des Bräutigams oder die Körpersprache der Diskutierenden. Das soll weg? In Zeiten der Verrohung, der Verdrossenheit, der schwindenden Buchseligkeit?
Gleich gegenüber hat Ulrike Liedke (SPD), die amtierende Landtagspräsidentin, ihr Bürgerbüro. Man darf gespannt sein, wie sie sich positioniert in diesem Konflikt. Kunst liegt ihr am Herzen, das weiß man. Stadtgeschichte nicht minder. Bis zum Beginn des Jubiläumsjahres 2026 müsste die Angelegenheit geklärt sein, folgt man dem Landkreiskalender.
Im Falle der Übermalung hätte Silke Thal natürlich ein Motiv für Live Painting, ihre Leidenschaft. Anstreicher am Werk? Von diesem womöglich illegalen Kunstwerk, das Tradition und Moderne in symbolischer Verdichtung gekonnt verbindet, bliebe etwas erhalten, wenigstens auf Papier. Oder mal auf Stein – eine Platte zum Gedenken? Kein einfacher Fall…

Neuer Achtsamkeitspfad in Lindow rund um den Wutzsee

Inotafel am Wutzsee

“Natur tut gut!”, heißt es auf einer neuen Informationstafel in Lindow. Der Wutzsee liegt in Sichtweite. Die Menschen werden eingeladen, sich auf den Achtsamkeitspfad einzulassen. Unter dem Moto “Natur & Ich” finden sich die unterschiedlichsten Angebote und Anregungen für Interessierte.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Es geht um mehr als das Wandern. Selbst Muskelaufbau oder Ausdauertraining wären zu wenig. Es geht um Besinnung, Bewegung und Wahrnehmung. Man ist eingeladen, unterwegs immer wieder “in die Ruhe des Augenblicks einzutauchen”. So finden sich an der Station “Bewusstes Sein” auch Liegegelegenheiten. Beim Achtsamkeitsprojekt ist Körpergefühl wichtig, Naturbezug soll hergestellt werden – alles sanft, alles bedacht, alles vom Bemühen geprägt, in ein bewusstes und schonendes Verhältnis zur Natur zu zu treten – ob Pflanzen oder Tiere. Vom Wege soll nicht abgewichen werden. “Achtsamkeit”, das Leitwort, hat viele Bezugspunkte, auch den aktiven Menschen selbst. Ein echter Erfahrungsbericht kann hier noch nicht vorgelegt werden, nur eine Information. Alles andere wäre unredlich.

Eine verlockende Ablenkung: “Die schöne Nonne aus Lindow”.

Womöglich sind weitere Verlockungen im Spiel, wenn man sich dem Wutzsee von der “Süßen Ecke” aus nähert, diesem einladenden Lokal, diesem Ort gelebter Vielfalt. So leicht kommt man nicht zur “Erfüllenden Dankbarkeit”, zum “Heilenden Atmen” oder zum “Erholsamen Ausblick”, um nur ein paar Beispiele zu nennen auf dem 7,8 Kilometer langen Weg.
Nehmen wir nur das Beispiel der “Amelie, der schönen Nonne aus Lindow”. Sie lenkt ab. Ihre Geschichte wirkt dramatisch. Selbsdisziplin ist nicht nur hier gefragt, sonst kommt man nicht weit. Man denke nur an das wunderbare Klostergelände samt Ruine und Wundergarten mit Kräutern und Bibelversen. Entweder Achtsamkeitspfad oder Klostergang, beides wäre schon wieder Stress, schlechtes Zeitmagement und wenig förderlich, wenn es um Konzentration und Lebensintensität geht. Der Gang mit Kindern bedürfte besonderer Reflexionen.

Wichtige Fragen bewussten Seins: “Ist Freude oder eine Sorge da?”
Fotos: VHS

Ein Anfang ist gemacht,. Wer hinter diesem Projekt in Lindow steckt, sagt das Kleingedruckte auf der Infotafel. Ein lobenswertes Unterfagen. Die Konjunktur wird allerdings nicht angekurbelt, zumindest nicht unmittelbar. Ob es mal evaluiert wird? Ob es bald Schule macht in Brandenburg, im Land der Seen, Flüsse und Wälder, ehe das politische Klima zu schlecht ist für so viel Gutes? Dass die Menschen in Deutschland zu viel und zu lange herumsitzen, wissen wir ja schon. Die Gelegenheit, “Bewusstes Sein” unweit der Ruine zu erleben, wird womöglich im Sitzen oder Liegen wahrgenommen. Wer dabei einnickt, muss nicht unbedingt etwas falsch gemacht haben. Was bei Andrang geschieht, lässt der Begleittext offen. Selbstregulierung lässt sich lernen….

Petition zur Rettung des Tucholsky-Museums erfährt immer mehr UnterstützungLandtagspräsidentin Ulrike Liedtke unterschreibt auf dem Schulplatz in Neuruppin

Foto von Ulrike Liedtke und Peter Böthig

Immer mehr Prominente unterstützen die Petition zur Rettung des Tucholsky-Museums – auch Brandenburgs Landtagspräsidentin setzt ein Zeichen.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Die Nachricht machte schnell die Runde: “Akademie der Künste stoppt die Zusammenarbeit mit dem Kurt-Tucholsky-Literatur-Museum in Rheinsberg!” Für Peter Böthig, den ehemaligen Leiter der Einrichtung, ist klar: “Das ist eine Zäsur. Damit verliert das Museum einen wichtigen Partner.” Insbesondere im Hinblick auf Ausstellungen habe man in Rheinsberg von den Berlinern profitiert.
Hintergrund der Entscheidung ist die Situation, für die man nicht nur in Berlin den amtierenden Bürgermeister Frank-R. Schwochow (BVB/Freie Wähler) verantwortlich macht. Die Initiatoren der Petition “Rettet das Tucholsky-Museum in Rheinsberg” sehen die Situation genauso. Dort heißt es: “Im Mai 2024 stimmten die Rheinsberger Stadtverordneten zu: Der Kreis soll die Trägerschaft übernehmen. Trotzdem weigerte sich der Bürgermeister, den Vertrag zu unterschreiben.” Auf dem Schulplatz in Neuruppin erinnerte Böthig daran, dass es immerhin um 625.000 Euro gehe. So sei der Wert der Bestände zu taxieren.
Böthig zeigte sich hocherfreut, dass Ulrike Liedtke, die amtierende Präsidentin des Landtags Brandenburg, extra in die Kreisstadt gekommen war, um ihre Unterschrift unter die Petition öffentlich zu geben. Liedtke wies ebenfalls auf die immense Bedeutung des Museums hin. Und sie betonte, ein solches Haus sei nicht nebenbei zu leiten. Ellen Krukenberg vom Amt für Kultur, Tourismus und Wirtschaft sieht sie als derzeitige Leiterin in einem Dilemma. Als ehemalige Stadtverordnete wies die SPD-Politikerin auch auf die finanziellen Verluste hin, die die Stadt Rheinsberg erleide, wenn der besagte Vertrag nicht zustande komme. Das Unterschreiben am Tablet wurde von Applaus begleitet.
Dass nicht einmal die anwesenden Rheinsberger über den aktuellen Stand der Personalfragen informiert waren, könnte mit Besuchshemmungen zu tun haben. Ein Veranstaltungboykott? Hier im Netz hätten Interessierte schon seit ein paar Tagen lesen können, dass sich der in Berlin beheimatete Verleger Peter Graf ab 15. Juli 2025 mit wissenschaftlichen Fragen befassen wird. Der Vertrag zwischen Landkreis Ostprignitz-Ruppin und der Stadt Rheinsberg steht auf einem ganz anderen Blatt.

“Senden!” Ein Blick auf das Tablet der Potsdamer Landtagpräsidentin. Foto: VHS

Im Spätsommer wird gewählt in Rheinsberg. Es geht um die Leitung der Verwaltung und um die Repräsentation der Stadt. Der Amtsinhaber findet Herausforderer. An Tucholsky werden sie alle auf dem Weg ins Rathaus nicht vorbeikommen, am wenigsten Frank-R. Schwochow. Sollte es zu einer Podiumsdikussion kommen, wird die “Gretchenfrage” nicht ausbleiben, ganz diesseitig, ganz dringlich: “Wie hast du’s mit dem Tucholsky-Museum?” Und dann die Frage an den Amtsinhaber, warum der Text des 60. Stadtschreibers Max Czollek erst im Oktober erscheinen soll. Ob das mit dem Wahltermin zu tun hat? Und dem Thema des Rheinsberger Bogen? Eine “Anleitung zur Rettung eines Tucholsky-Museums” hat der Wagemutige verfasst? Klingt ja fast nach Tucholsky. Aber der Satiriker hätte wohl eher – wie in “Ratschläge für einen schlechten Redner” Tipps zur Kulturvernichtung gegeben. “Stell dich einfach amtstot!” und so Sätze…
Prominente wie Günter Wallraff und Katja Lange-Müller gehören übrigens schon zu den Unterzeichnern und Unterzeichnerinnen der Petition. Ulrike Liedtke wird als Nummer 2.123 geführt. Das war vor gut zwei Stunden. Der Zähler hat bestimmt schon weitergezählt.

Hier kann die Petition unterzeichnet werden: Rettet das Tucholsky Museum