Prozess gegen Rheinsbergs Bürgermeister Schwochow enthüllt politischen Machtkampf zwischen Stadt, Kreis und Justiz im Fall Verleumdung & Untreue.
Von macron
Der Gerichtssaal des Amtsgerichts Neuruppin glich am Freitag, dem 4. Juli weniger einem Ort nüchterner Rechtsfindung als vielmehr einer politischen Bühne. Auf der Anklagebank: Frank-Rudi Schwochow, Bürgermeister der Stadt Rheinsberg. Offiziell geht es um den Vorwurf der Verleumdung – doch das Verfahren offenbarte weit mehr: Ein zermürbendes politisches Ringen, persönliche Fehden und eine tiefgreifende Vertrauenskrise zwischen kommunalen Akteuren.
Ein Bürgermeister im Angriffsmodus
Anstatt sich hinter seinem Verteidiger zu verstecken, übernahm Schwochow selbst die Regie. In der Befragung des Zeugen Ralf Reinhardt, Landrat des Kreises Ostprignitz-Ruppin (OPR), nutzte er die Bühne für eine Generalabrechnung. Rund zwei Stunden dauerte das Verhör – weniger juristisch präzise, dafür umso politischer geladen.
Die Themenpalette reichte von der mangelhaften Kommunikation zwischen Kreis und Stadt über die umstrittene Flüchtlingsunterkunft in Flecken Zechlin bis hin zu angeblicher Einflussnahme Reinhardts auf die Rheinsberger Verwaltung. Der Ton war konfrontativ, die Rollen klar verteilt: hier der kämpferische Bürgermeister, dort der Landrat als Symbol einer aus seiner Sicht intransparenten Kreisverwaltung.
Gerichtssaal als Polit-Show
Die Atmosphäre war aufgeheizt. Mehrfach unterbrachen sich die beiden Kontrahenten gegenseitig. Die Vorsitzende Richterin sah sich gezwungen, mehrfach zur Ordnung zu rufen. Doch wer ein Urteil über Schuld oder Unschuld erwartete, bekam stattdessen ein Schauspiel geboten, das mehr über die politische Kultur in OPR aussagt als über den konkreten Tatbestand der Verleumdung.
Reinhardt konterte mit dem Vorwurf, Schwochow betreibe eine gezielte Kampagne, um Misstrauen gegenüber dem Landratsamt zu säen. Dessen Medienstrategie – vor allem via soziale Netzwerke und YouTube – sei Teil eines Plans, sich selbst als Opfer zu inszenieren und andere politisch zu delegitimieren.
Überraschungsgast und Zwischenrufe
Für zusätzliche Dramatik sorgte der Bürgermeister von Heiligengrabe, Karl-Friedrich Schült, der als Zuschauer plötzlich das Wort ergriff. Mit Verweis auf den Kreistag als „vierte Gewalt“ kritisierte er lautstark die Arbeitsweise des Landrats und beklagte die Missachtung demokratischer Kontrollinstanzen. Die Richterin verwies ihn des Saales – ein symbolträchtiger Moment in einem ohnehin angespannten Verfahren.
Politischer Prozess statt Strafverfahren?
Der eigentliche Verleumdungsvorwurf geriet fast zur Nebensache. Der zweite Anklagepunkt, Untreue, wurde auf einen späteren Termin vertagt. Der erste Verhandlungstag machte deutlich: Es geht längst nicht nur um strafrechtliche Bewertungen. Der Fall Schwochow ist ein Stellvertreterkonflikt für tiefer liegende politische Brüche – zwischen kommunaler Basis und Kreisspitze, zwischen öffentlichkeitswirksamer Kritik und institutioneller Autorität.
Wie das Gericht am Ende urteilt, bleibt abzuwarten. Doch der Prozess hat jetzt schon eines gezeigt: Die politische Kultur in Ostprignitz-Ruppin steht auf dem Prüfstand. Für den 18.Juli ist der nächste Verhandlungstag angesetzt.
siehe hierzu auch: Märkische Allgemeine Zeitung vom 05.06.2025