Orgel und Trompete – ein Aufspiel wie Goliath und David?

Aleksandr Volkov und Hannes Maczey zeigen das Gegenteil

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Im Wasser leben, aber vom Wasser nichts wissen? Als Fisch? Schade eigentlich. Matthias Noack eröffnete das zweite Sommerkonzert mit einer Fabel. Erzählt wird, wie die Fische sich ihrer Existenz bewusst werden. Und schon ist man in Gottes Welt und mit dem (fehlenden) Bewusstsein des Menschen von dieser Existenz konfrontiert und von Tranzendenz. Musik gehört auch zum Universum, Luft ist ihr Element.In der Epoche des Barock näherte man sich diesem Wunder. Die Literatur allerdings eher kläglich. Zu vieles war unsäglich. “Tränen des Vaterlandes” und “Menschliches Elend” allüberall. Ganz anders die Musik, allumfassend und entfesselt.

Wie Melancholie und Euphorie, Introversion und Expressivität zusammenfinden können, das ließen die Darbietungen von Aleksandr Volkov an der Orgel und Hannes Maczey an der Piccolotrompete erlebbar werden. Der gemeinsame Auftritt war Premiere, die Beifallstürme dürften signalisiert haben, wie sehr das Spiel gefiel – vom “King Williams March” (Jeremiah Clarke) bis zur Sonate in C-Dur (Jean Baptiste Loeilet).

Die beiden Instrumente sind eigentlich nicht füreinander geschaffen, daran erinnerte der Trompeter zu Beginn. Hier die ganze Wucht der Orgelpfeifen, von moderner Apparatur im Flusse gehalten. Bei aller Kunstfertigkeit doch eine Maschine. Und gegenüber die arme Kreatur, der Mensch, der eine Trompete bespielt, herumfingert und pustet wie gehetzt oder verletzt. Wie soll das gehen? Wie kann das klingen? Volkov und Maczey zeigen es und werden gefeiert.

Foto der Konzertteilnehmer in der Klosterkirche

Das Konzert aus Matthias Noacks Perspektive (hinten links) beleuchtet. Foto: VHS

Der Trompeter wird zum Sänger, die Orgel zum Orchester. Zum Gelingen bedarf es beider – in der richtigen Abstimmung, im Fließen der Melodien wie in Georg Friedrich Händels “Concerto Grosso”. Für Typen wie David und Goliath wäre das zu viel des Guten, für Aleksandr und Hannes passt’s. Und paar Soloeinlagen gibt’ ja auch, für den einen am Mikrophon als Entertainer, für den anderen an den Registern. So kann der junge Mann, Jahrgang 2003, auf sich gestellt zeigen, was “Voluntary” (John Stanley) ausmacht: Energie pur, ein Springquell, die Orgel. Klageklänge und Sehnsuchtstöne beherrscht er nicht weniger. In den dankbaren Applaus für die beiden großartigen Künstler wurde Matthias Noack ausdrücklich einbezogen. Der Musiksommer hat furios begonnen mit zwei grundverschiedenen Konzerten. Die Fische scheinen in der gut besuchten Klosterkirche zu fliegen. Das ist neu. Und fabelhaft.