Das Mammutwerk “Der Brutalist” zeigt ein traumatisiertes Architektenleben
„Der Brutalist“ im Neuruppiner Kinocenter zeigt ein monumentales Architektendrama – Teil der cineastischen Reihe „Kino für Kenner“.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Das deutsche KZ in Auschwitz hat der in Ungarn geborene jüdische Architekt László Tóth überlebt. Die Figur ist eine Erfindung. Und die Darstellung von Adrien Brody ist unbeschreiblich. Der Spielfilm “Der Brutalist” von Brady Corbet aus dem Jahr 2024 erspart dem Publikum nicht die Seelenqualen des Protagonisten, die ihre Grundlage in den Traumata von Verfolgung und Vernichtungsdrohung haben. Die ein wenig klischeehafte Erfolgsgeschichte in den USA kann darüber nicht hinwegtäuschen, zumal die Welt der Reichen und Einflussreichen trotz flotter Tanzmusik kaum Gelegenheit bietet, im “American Dream” wahres Glück zu finden. Wie besessen arbeitet Tóth, der vom Bauhaus geprägt wurde, an einem gigantischen Bauwerk, in dem Menschen oberhalb der Stadt auf einem Hügel zusammengeführt werden sollen – ohne Unterschied von Hautfarbe, Religion, Geschlecht. Feingefühl und Beton schließen sich für ihn nicht aus. Nach fast dreieinhalb Stunden gewährt Tóths Nichte anlässlich einer Ehrung des Künstlers in Venedig tieferen Einblick in die Dialektik von Zerstörung, Erinnerung und Überwindung.

Nur wenige Gäste nehmen das Angebot des Neuruppiner Kinocenters am späten Sonntagnachmittag in der Reihe „Kino für Kenner“ wahr. Ob das am Montagabend anders sein wird? Es bedürfte eigentlich einer Exraveranstaltung, um klar herauszuarbeiten, was Corbets Werk mit Lebensläufen zu tun hat, die hier ihren Anfang nahmen.
Sicher, da ist Karl Friedrich Schinkel, das gebrannte Kind, das in Berlin „nach Napoleon“ mehrfach mit monumentaler Gedenkarchitektur befasst war. Was aus der eher bescheidenen „Neuen Wache“ dereinst werden würde, konnte Schinkel nicht ahnen.
Viel näher kommt man dem Baustoff, wenn man sich mit Friedrich Gollerts Werk „Warschau unter deutscher Herrschaft“ aus dem Jahre 1942 befasst. Gollert, 1904 in Neuruppin geboren, war Jurist und trotz SS-Mitgliedschaft zunächst selbst mit dem NS-Staat als Unrechtssystem befasst. In Warschau aber wurde er, um es beschönigend zu sagen, zu einem der Hauptverantwortlichen für den Wiederaufbau und die Umgestaltung der ehemaligen polnischen Haupstadt, die anstanden nach dem Überfall ab 1. September 1939 und der folgenden Bombardierung und Zerstörung.

Männer wie Gollert planten spätestens ab Anfang 1942 „ganz ohne Juden“. Gettoisierung war nicht genug. Man weiß heute, was das heißt, wenn ein Schreibtischtäter so schreibt. Jüdische Architekten wie das Ehepaar Szymon und Helena Syrkus wirkten im Untergund. Aus deren Visionen, an die Niels Gutschow und Barbara Klain in „Vernichtung und Utopie“ (1994) erinnern, wurde nichts, als Männer wie Stalin Regie führten und bei politischer Rollenbesetzung in Polen nicht erst ab Anfang 1945 mitwirkten.
Brady Corbet hätte, so liest man, gerne auf authentisches Material zurückgegriffen. Kann ja noch kommen. Womöglich von anderer Hand. Oder als Bühnenstoff. Nun also als Notlösung die völlig zerrissene Kunstfigur László Tóth, nun also „Der Brutalist“. Die Reihe „Kino für Kenner“ kann man nur weiterempfehlen. Das Angebot gehört in die Kulturkalender der Region.


