Zwei grundverschiedene Events im Fokus
Von Volkmar Heuer-Strathmann
“Lassma Fehler machen”, erklingt. Die Band “Da kommt nix” hat es bis ins Finale beim diesjährigen Fontane-Song-Contest geschafft. Der Raum im Alten Gymnasium ist brechend voll. Die Jugendlichen und ihr erfahrener Bandleader eröffnen. Und lassen es krachen. “Effi Briest” stand am Anfang. Ein Zitat. Ein Wort wie Fehlerkultur wäre zu Theodor Fontanes Zeit in der Schule oder im Gespräch mit Autoritäten undenkbar gewesen. Effi kann ein Lied davon singen. “Lass sie reden”, heißt beim FSC die Parole. Der Applaus verbindet die Menschen ganz unterschiedlicher Generationen
“Frühling” gibt’s zur Eröffnung. Jedes Wort stimmt. Stefan Wilkening, Tessa Mittelstaedt und Jürgen Tonkel geben Theodor Fontanes Gedicht in Wechselrede. Ihre Stimmen sind angenehm. Julia Kursewa lässt ihr historisches Cello kurz erklingen. Das tut gut. Frank Matthus hat sich bei der Konzeption des Fontane-Lyrik-Projekts 2025 von der Frage leiten lassen, welches musikalische Potential in einzelnen Werken steckt. Geklatscht wird beim FLP erst später, aber die Gäste wirken zufrieden. Einige Herrschaften waren zuvor beim FSC.

Da ginge mehr beim FLP. Foto: Volkmar Heuer-Strathmann
“Wir warten selbtverständlich, bis alle da sind”, hatte Uta Bartsch in der Schule verprochen. Sie gehört zum Team, das für die Fontane-Festspiele 2025 verantwortlich zeichnet. Niederschläge haben die Organisation nicht einfacher gemacht. Aber es läuft. Man hat Erfahrung, man hat Mitstreiter und wohlwollende Gäste in beiden Häusern. Beides erleben zu dürfen, ist ein Glückfall. Aber man spürt auch den Unterschied.
“Solito” gibt “Überlass es der Zeit”. Auch diese Band wagemutig und ausdrucksstark. Krachender Applaus. Nicht anders, als Franco Sonic aus Berlin, der dritte Finalist, seinen anrührenden Song “Mein Herz” sanft ausklingen lässt. Er ist Solist. Auch er hat sich Fontane zugewandt.
In der Kulturkirche hat man alle Zeit der Welt. In der Schule gibt`s Stress. Zeitdruck! Moderator Hans Machowiak bemüht sich verzweifelt um Lockerheit. Am Ende hilft ihm Peter Boethig bei der akustischen Urteilsfindung. Wie die Konzeption von Frank Matthus und die Umsetzung durch das Künstlerquartett beurteilt wird, weiß der Himmel. An Beifall mangelt es zumindest nicht. Auch nicht, als “Historie” auf dem Programm steht. Es kommt Bewegung ins Ensemble. Man erhebt sich an passender Stelle und tritt in Rampenlicht. Starke Gesten sind zu sehen. Etwa ein erhobener Zeigefinger. Mimisch wäre sicher noch mehr drin. Aber nicht hier. Nicht jetzt. Oft geht es um Liebesdinge, um Treue, um Betrug, um Reue, um Ehre, um Sühne. “Mein Gott, lassma Fehler machen”, könnte wie Aufruhr wirken.
“Könntma was Moderneres probieren beim FLP!”, könnte man hier notieren. Ob das gewünscht würde? Beim FSC gab es auf alle Fälle nur Sieger. Selbst Messungen der Technik belegten keine signifikanten Unterschiede. Nicht enden wollender Jubel war die Folge – allüberall. Das Preisgeld von 1000 Euro wurde aufgeteilt.
Theodor Fontane blieb als Kritiker auf die traditionelle Theaterkultur seiner Zeit beschränkt. Mit der Musik haderte er. Aus Respekt, nicht von Ressentiments vergiftet. Beim FLP bringt man seine lyrischen Einlassungen zur Tonkunst mit einem Augenzwinkern. Und gibt später in Harmonie mit der Musikerin Geistiges und das große Männerthema “Frauen und Liebe”. Viel “Herz” also auch hier. Und immer mal wieder Weisheit – fast so lebensklug wie in “Überlass es der Zeit”.
Nicht auszudenken, die jungen Leute wären mit von der Partie gewesen und hätten ihre Art, Fontanes Werke zu adaptieren, aufblitzen lassen in der gut, aber nicht sehr gut besuchten Kulturkirche, wo Wagnis wahrlich nicht Prinzip war. Logistisch allerdings war solch ein überfälliger Überfall diesmal noch eine Unmöglichkeit. “Resignation” muss nicht das letzte Wort sein wie diesmal mit Fontane beim FLP…
Foto 1: “Da kommt nix!” beim FSC.
Foto 2: Da ginge mehr beim FLP.
Fotos: vhs