Das 35jährige Jubiläum der Edition Rieger nahm man in der Fontane-Buchhandlung zum Anlass, den Verleger, Autor und Freund Günter Rieger aus Karwe im Gespräch mit Otto Wynen zu präsentieren. Man selbst hätte noch weitaus länger zuhören mögen angesichts einer derart interessanten Biografie. Sie begann auf den Tag genau vor 75 Jahren im Raum Bitterfeld.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
“Der sagenumwobene Held war selbst ein Überwinder vieler Schwierigkeiten, eigen- und unverschuldet…” Günter Rieger? Richtig. Er äußert sich aus gegebenem Anlass zum Fall Parzifal – als Sage, als Kunststoff, als Leitfigur. Rieger schreibt vom “Wahrzeichen der sich emsig wandelnden Stadt und Region”. Im Gespräch mit Otto Wynen wurde sehr deutlich, welchen besonderen Anteil Günter Rieger selbst hat an diesem Prozess in Neuruppin und drum herum seit 1990. Als Verleger und Autor, als Gästebegleiter und Gastredner, als Bürger und Freund. Es gibt da bloß ein Problem, und das räumen wir auch nicht aus.

Rieger insistierte darauf, dass die Ökonomie doch das Leben bestimme, eben die Kraft der Verhältnisse. Wynen insistierte darauf, dass sich das Individuum darüber erheben könne. Das Gespräch wurde durch diesen Dissens nicht gesprengt, zumal sich an der Edition Rieger wunderbar zeigt, was Idealismus ausmacht – und das im “Haifischbecken”, um es mit Brecht zu sagen. Der Verleger setzt auf Verkaufbarkeit der Ware, der Werke, aber er ist zugleich Förderer und Entdecker, Anreger und Gestalter. Die Ware ist bezahlbar. Gewinn, soweit möglich, fließt in neue Projekte. Klar, Kapitalismus geht eigentlich anders. Aber der geht ja auch zugrunde. Der Wert der Literatur geht eben für Menschen wie Günter Rieger im Tauschwert nicht auf. Das gibt’s.
Auf großes Interesse stieß bei den zahlreichen Gästen, was Rieger über seine Tätigkeiten in der DDR und für die DDR erzählte. Statt an der Hochschule Karriere zu machen, wagte er nach dem Studium den Weg in den Diplomatischen Dienst. Bukarest lag am Weg der Laufbahn. Jahre in Helsinki und Paris wurden prägend, im zweiten Fall stärker auf die Kultur bezogen, im ersten auf Prozesse wie OSZE und KSZE bezogen. Er begriff sich auch in der französischen Hauptstadt als Vertreter der DDR, konnte zugleich aber “den Westen” selbst aus dem Erleben heraus begreifen. Nicht allein aus dem Neuen Deutschland. – Stoff für mehr als eine weitere “Plauderei”, wie die beiden Freunde ihre Begegnung genannt hatten, bei der die heiteren Einlagen und die kleinen Spitzen auch nicht fehlten.

Fotos: VHS
Das Gespräch berührte Interessen und Leidenschaften wie die Malerei, die Frage nach musikalischen Ambitionen klang kurz an. Hörkultur. Vor allem aber ging es um das Verlagsprogramm und die Art, wie sich der Horizont weitete. Fontane war ein Schwerpunkt. Der Tempelgarten wurde ins Licht seiner Zeit gerückt. In Rheinsberg ging es auch um den Musenhof. Im Fall Parsifal gab es mal ein Großformat. Sonst dominiert insbesondere für Touristen die handliche Form. Die Kooperation mit der Fontane-Buchhandlung (“von Anfang an”) wird hervorgehoben, ebenso die Zusammenarbeit mit den Leiterinnen des Museums – bis heute.
Gut 260 Titel – das Schaufenster bietet Anschauung, die Erfolgsgeschichte könnte Günter Rieger eigentlich ganz schön stolz machen. Ist er wohl auch, aber die Herren haben sich nicht getroffen, um pathetisch zu werden.
Blieb die Frage der Autobiografie. Proletarierkind nennt er sich. Verlegerkind kann sich seine Tochter nennen. Stoff wäre sicher reichlich da, vermutlich auch im Hinblick auf den Bitterfelder Weg als Kind. Die schulische Sozialisation. Ein Blauhemd? Das Studium. Das Auge der Stasi vor dem Auslandsaufenthalt? Die Verlockung, in Paris zu bleiben? Allein wegen der Museen und der Musen…
Günter Rieger schien nicht geneigt. Wie in der Frage, wann der Rentner wirklich als Veleger aufhört, müsste ein “Njet” nicht das letzte Wort sein. Erstmals hörte man selbst übrigens von ihm, als eine VHS-Dozentin im Schaumburger Land vor vielen Jahren eine Studienfahrt “Auf den Spuren Fontanes” anbot. Ob die Lektüre der “Wanderungen” da ausreiche, frug man. “Ich kenne da in Fontanes Geburtsstadt jemanden, der kennt alles. Und hat auch noch Humor.”


