Am 12. November wurde im Rahmen eines Workshops erneut intensiv an der Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Neuruppin gearbeitet. Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverwaltung, des Vereins Klima und Alltag e.V., zivilgesellschaftliche Gruppen sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger trafen sich, um die sechs Handlungsfelder des Konzepts weiter zu schärfen.
Von: macron
Bereits seit Monaten erarbeitet ein Kernteam konkrete Vorschläge, wie Neuruppin langfristig nachhaltiger, sozialer und ökologisch verantwortlicher handeln kann. Dabei geht es nicht nur um Umweltschutz, sondern auch um Bildung, Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und bürgerschaftliches Engagement.
130 Maßnahmen auf dem Weg zur nachhaltigen Stadt
Im Zentrum des Treffens stand die Auswertung einer umfangreichen Bestandsaufnahme: Über 130 Maßnahmen aus verschiedenen Bereichen der Stadtverwaltung wurden gesammelt und thematisch den sechs Handlungsfeldern und den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) zugeordnet.
Besonders stark vertreten ist das Handlungsfeld „Natürliche Ressourcen schonen und schützen“ – mit rund 80 laufenden oder geplanten Projekten. Hierzu zählen Begrünungsmaßnahmen, Bauprojekte mit Nachhaltigkeitskriterien und die Digitalisierung der Verwaltung. Schwachstellen wurden hingegen in den Bereichen Bildung und Wirtschaft identifiziert.
„Wir wollen wissen, wo wir stehen – und wo wir besser werden können“, sagte eine Sprecherin aus dem Kernteam. „Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur Umweltschutz, sondern auch soziale Verantwortung und Transparenz.“
Realistische Ziele statt schöner Worte
Ein zentraler Diskussionspunkt war die Umsetzbarkeit der geplanten Maßnahmen. Viele Teilnehmende betonten, dass die Strategie realistisch bleiben müsse – in Hinblick auf Personal, Budget und Zuständigkeiten.
So wurde beispielsweise die Idee diskutiert, jährlich eine bestimmte Anzahl an Bäumen zu pflanzen. Statt utopischer Zielvorgaben sollen künftig realistisch erreichbare Ziele mit klaren Zuständigkeiten und messbaren Ergebnissen formuliert werden.
„Wir brauchen Ziele, die wir auch wirklich umsetzen können – Schritt für Schritt, mit den Ressourcen, die wir haben“, erklärte ein Vertreter der Stadtverwaltung.
Nachhaltigkeit soll künftig selbstverständlicher Bestandteil aller Haushaltsentscheidungen sein, anstatt als zusätzliches Kostenfeld zu erscheinen. Auch sei sicherzustellen, dass die Finanzierung begonnener Projekte langfristig gesichert ist.
Diskussionen und kreative Ideen zu den sechs Handlungsfeldern. Fotos: Dr.Uwe Lüttgens
Beteiligung bleibt Schlüssel zum Erfolg
Die Teilnehmenden betonten, dass nachhaltige Stadtentwicklung nur im Dialog funktioniert. Frühere erfolgreiche Beteiligungsformate – etwa Quartiersarbeitskreise oder Stadtteilbeiräte – sollen wieder stärker aktiviert werden.
Ein Vorschlag, der breite Zustimmung fand, ist die Einrichtung einer festen Personalstelle für Nachhaltigkeit, um Projekte und Förderprogramme dauerhaft zu koordinieren.
„Nachhaltigkeit darf keine Nebentätigkeit sein“, so ein Mitglied des Vereins Klima und Alltag e.V. „Wir brauchen eine zentrale Ansprechperson, die Prozesse bündelt und vorantreibt.“
„Wir wollen eine Strategie, die nicht in der Schublade landet, sondern die wir gemeinsam mit Leben füllen“, fasste eine Teilnehmerin den Abend zusammen.
Eine Teilnehmerin
Wie geht es weiter?
Bis Ende des Jahres soll die Zielstruktur überarbeitet werden. Im neuen Jahr startet dann die nächste Phase: die konkrete Maßnahmenplanung. Bürgerinnen und Bürger können weiterhin Anmerkungen und Ideen einreichen, um sich aktiv einzubringen.
Zum Abschluss des Workshops waren sich alle einig: Nur durch gemeinsames Handeln kann Neuruppin zu einer Stadt werden, die Verantwortung für kommende Generationen übernimmt.
„Wir wollen eine Strategie, die nicht in der Schublade landet, sondern die wir gemeinsam mit Leben füllen“, fasste eine Teilnehmerin den Abend zusammen.
“Manchmal treffe ich Harras auf der Treppe”, liest man in Franz Kafkas Erzählung “Der Nachbar”. Kurz darauf heißt es: “Er huscht förmlich vorüber.” So wird das Misstrauen in diesem Treppenhaus immer größer. Die Abschlussveranstaltung zur Ausstellung “Neuruppiner Treppenforschung” ließ deutlich werden, dass es um weit mehr geht als nur um Baufachfragen. Lebensstandard, Lebensstil und Lebensgefühl spielen auch eine Rolle.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Irina Rockel und ihr Team konnten sich über reges Interesse freuen – in den letzten Wochen tagtäglich am Kunstkiosk, am Ende im Museum. Matthias Metzler vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege sprach nicht nur den Aktiven größtes Lob aus. Ebenso den beteiligten Hauseigentümern oder Bewohnern und den Zuständigen aus der Verwaltung. Neuruppin ist für ihn “wieder einmal ganz vorne”. Kein Widerspruch im Raum. Dietmar Aufleiter vom Vorstand des Vereins für Scalalogie machte aus seiner Begeisterung auch kein Geheimnis. Man gehört zu den Unterstützern und hofft auf Nachahmung. Jan Juraschek wies im Rahmen seines Grußwortes als Baudezernent der Stadt Neuruppin darauf hin, dass man durch das Projekt “Treppenforschung” sensibilisiert werde für Treppengänge jeder Art. Beschwernisse könnten sich einstellen treppauf. Man treffe Menschen. Man könne verweilen. Technokraten reden anders. Bungalowbewohner hören besser weg.
Viel Holz im Treppenhaus – Handwerkerpuppen im Streit bei der Arbeit? Foto: KI, zur Verfügung gestellt von Rene Wildgrube
Als Initiatorin ließ Irina Rockel erstmal die Stadt entflammen. Es ist der 28. August 1787, ein Sonntag, es ist früher Nachmittag. Neuruppin brennt lichterloh, KI macht’s möglich. Aus einer Ruinenlandschaft entwickelt sich der Aufbau. Es gibt Vorgaben für die Bürgerhäuser, es gibt keine Einheitlichkeit, aber System. Da ist mal Obrigkeitslob fällig. Handwerker sieht man schon bald bei der Arbeit. Die Grenzen der KI werden auch offenbar. Aber die Anschaulichkeit hilft, sich in den Prozess hineinzudenken. Die Gegenwart hat hier ihre Wurzeln. Nicht nur diese Ausführungen wären es ganz gewiss wert, spätestens im Schinkeljahr 2031 als Buch zu erscheinen, reich bebildert.
Von der Smartphoneaufnahme zur imposanten Animation: Rene Wildgrube. Foto: VHS
Der Bezug zum Leben Karl Friedrich Schinkels könnte kaum unmittelbarer sein. Sechs Jahre jung war der Knabe, als es brannte. Der Vater starb kurz darauf. Mit Rene Wildgrube ist ein weiterer Schinkelianer im Team. Er präsentierte am Ende Ergebnisse der Neuruppiner Treppenforschung als Animation – ein Treppenhaus in Bewegung, das gefiel. Digitalisierung der Ergebnisse ist das Ziel. So erhält Denkmalpflege moderne Grundlagen. Löschen wäre ein Treppenwitz! Andre Maier und Stefan Schurr hatten als Mitmacher zuvor andere Schwerpunkte gesetzt, etwa ihre Erfassungsmethode an Ort und Stelle, die Art der Dokumentation, außerdem erläuterten sie geometrische und ästhetische Aspekte. Sie haben den Blick. Das Projekt läuft noch weiter. Man sucht nach anderen Objekten. Und bräuchte noch paar Mitwirkende. Eigentlich geht’s um Spurensicherung. Das Museum selbst war der richtige Ort für die Präsentation. Der Weg nach oben kann vorne über eine historische Treppe führen. Alles atmet Geschichte. Es knarrt. Es graut. Da hilft’s, an “Stufen” zu denken, wie Hermann Hesse sie legte: “Der Weltgeist will uns Stuf’ um Stufe heben…”
Am 9. November 2025 erinnerten das JugendWohnProjekt „MittenDrin“ und das Aktionsbündnis „Neuruppin bleibt bunt“ an die Opfer der Reichspogromnacht. Rund 40 Teilnehmende, darunter Bürgermeister Nico Ruhle, Vertreter*innen von Omas gegen Rechts und Move e.V., setzten ein deutliches Zeichen gegen Faschismus und Menschenfeindlichkeit.
Von: macron
Demonstration und Stolperstein-Reinigung
Die Demonstration startete am JWP „MittenDrin“ und führte durch die Innenstadt zu Orten früheren jüdischen Lebens. Dort wurden Stolpersteine gereinigt und Kerzen entzündet. Jugendliche des Projekts lasen Texte und Zeitzeugenberichte von Holocaust-Überlebenden vor.
„Da die letzten Überlebenden des Holocaust sterben, ist es unsere Aufgabe, ihre Erfahrungen weiterzutragen und in der Erinnerung zu verankern – gerade jetzt, wo menschenverachtende Tendenzen wieder populärer werden“, erklärte Jan Henning, Pressesprecher des JWP.
Abschlusskundgebung vor dem AfD-Büro
Die Demonstration endete mit einer Kundgebung vor dem neuen AfD-Büro in der Fischbänkenstraße 20, einem Gebäude, das einst der jüdischen Familie Silberberg gehörte. Redner*innen erinnerten an die historische Verantwortung und forderten, die Vermietung an die AfD kritisch zu hinterfragen.
„Menschlichkeit ist unverhandelbar – wir müssen alles dafür tun, dass sich die Ereignisse des Nationalsozialismus nicht wiederholen“, betonte Tamara Lux, Pressesprecherin des JWP.
Musikalische Lesung mit Kutlu Yurtseven
Im Anschluss begeisterte Kutlu Yurtseven von der Microphone Mafia das Publikum mit einer musikalischen Lesung aus dem Buch „Eine ehrenwerte Familie“. Er erzählte von seiner Jugend als Sohn türkischer Einwanderer, seinem Weg zum Rap und der Zusammenarbeit mit der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano.
Mit Humor, Haltung und Tiefgang erreichte Yurtseven besonders das junge Publikum und verband Erinnerungskultur mit gelebtem Engagement gegen Rassismus und Ausgrenzung.
Erinnerungskultur als Verantwortung
Das Gedenken in Neuruppin machte deutlich: „Nie wieder“ ist mehr als eine historische Mahnung – es ist eine Verpflichtung, täglich für eine offene und solidarische Gesellschaft einzutreten.
Wir wissen längst, was zu tun ist – doch Argumente allein verändern die Welt nicht. Wie einst beim Rauchen braucht auch der Klimaschutz ein neues, positives Framing: weg von Angst, Schuld und Verzicht, hin zu Verantwortung, Lebensfreude und Freiheit. Wenn Menschen spüren, dass nachhaltiges Handeln ihr Leben bereichert, entsteht echter Wandel – von innen heraus.
Wir haben uns das Rauchen abgewöhnt – können wir uns nicht auch unseren Umwelt zerstörenden Lebensstil abgewöhnen? Wie hat das mit dem Rauchen geklappt, und wie kann es mit der Klimabewegung funktionieren? Dieser Frage will ich im Folgenden nachgehen. Vor 50 Jahren galt Rauchen als Zeichen von Freiheit – auch für mich. Ich wusste, dass es ungesund war, aber die Vernunft hatte keine Chance gegen das Gefühl, unabhängig und souverän zu sein. Erst als sich die kulturelle Bedeutung des Rauchens änderte, änderte sich auch mein Verhalten – und das von Millionen anderer Menschen. Heute stehen wir beim Klimaschutz an einem ähnlichen Punkt: Wir wissen alles, aber wir handeln nicht. Was uns fehlt, ist nicht Einsicht, sondern ein neuer, positiver Bedeutungsrahmen – ein Framing, das Mut und Freude weckt.
Wie ich mit der Zigarette aufwuchs
Ich war Anfang zwanzig, ein Energiebündel, mit dem Kopf voller Ideen über Freiheit, Gesellschaft und Veränderung. Kapitalismus war böse, Sozialismus war gut. In den Kneipen wurde geraucht, in Seminaren, in WG-Küchen, in politischen Treffen – überall. Rauchen gehörte dazu wie das Diskutieren selbst. Ich erinnere mich gut an das Gefühl, eine Zigarette anzuzünden: der Geruch, der tiefe Atemzug – es war, als würde man Entspannung und Wohlgefühl einatmen. Das war das Framing, in dem ich lebte: Rauchen bedeutete Unabhängigkeit. Ein Mann mit Zigarette war kein Mitläufer, er war jemand, der seinen eigenen Weg ging – und auch die emanzipierte Frau rauchte. Eine Party mit Rauchverbot war undenkbar. Selbst wenn man einen Nichtraucher besuchte, bekam man einen Aschenbecher hingestellt. Die Nichtraucher waren die Spaßverderber, die Moralisten, die Spießer. Natürlich wussten wir damals schon, dass Rauchen schädlich ist. Ich hatte es in der Schule gelernt, in Zeitschriften gelesen, in Fernsehdokumentationen gesehen. Aber das spielte keine Rolle. Rationale Argumente prallen ab, wenn ein anderes Narrativ stärker ist. Die Geschichte von Freiheit und Nonkonformismus war viel mächtiger als jede Belehrung oder das medizinische Risiko. Konnte man sich damals vorstellen, dass Jahre später das Rauchen überall verboten wird? Dass nun die Raucher die Loser sind, die ihre Sucht nicht in den Griff bekommen? Völlig undenkbar.
Wie das alte Framing zerbrach
Das änderte sich nach und nach – nicht durch neue Studien, auch nicht durch politische Initiativen, sondern durch eine stille kulturelle Revolution. In den 1970er Jahren veränderten sich Werte: Menschen begannen, den Blick nach innen zu richten. In Selbsterfahrungsgruppen, Yogakursen, alternativen Lebensgemeinschaften, spirituellen und therapeutischen Kreisen wurde der Körper zum Ort von Bewusstsein und Achtsamkeit. Schrittweise passte das Rauchen nicht mehr ins Weltbild. Es stand nicht mehr für Freiheit, sondern für Sucht. Nicht mehr für Reife, sondern für Abhängigkeit. Dieser Wandel kam nicht aus der Politik, nicht aus der Wissenschaft, sondern aus einer neuen Haltung zum Leben – einer Haltung, die auf Selbstverantwortung und Achtsamkeit beruhte. Mit dem schrittweisen Wandel des gesellschaftlichen Framings zog zuerst die Medizin und dann auch die Politik nach. Studien belegten immer eindeutiger den Zusammenhang von Rauchen und Krebs sowie vielen anderen Erkrankungen. Schließlich folgten die Parteien – mit Kampagnen, Warnhinweisen, Steuern und schließlich Rauchverboten. Aber der entscheidende Schritt war längst vorher geschehen: Die Bedeutung des Rauchens hatte sich verändert. Und damit veränderte sich alles.
Bild von Iris, Helen, silvy auf Pixabay
Die Parallele zum Klimaschutz
Auch beim Klimaschutz stehen wir heute an einer ähnlichen Schwelle kultureller Bedeutung. Wir wissen alles. Wir kennen die Zahlen, die Folgen, die Risiken. Doch trotzdem fällt es uns schwer, unser Verhalten zu ändern. Nach dem Pariser Abkommen 2015 gab es einen Moment, in dem Klimaschutz eine positive, verbindende Kraft entwickelte. Die Fridays-for-Future-Bewegung brachte eine ganze Generation auf die Straße. Das war vor allem eine Bewegung der Hoffnung und Verantwortung, nicht primär der Schuld. Klimaschutz bedeutete Zukunft, Gerechtigkeit, Verantwortung für die Umwelt. Doch dieses positive Framing ist in den letzten Jahren zerfallen. Die Corona-Epidemie isolierte die Menschen und weckte bei vielen das Misstrauen gegenüber einem übermächtigen Staat, der sie gängelt. Auch das Thema Klimaschutz wurde in dieser Gegenbewegung als Versuch der Bevormundung empfunden. Es wurde moralisch, technokratisch, streitgeladen. Viele Menschen hören heute „Klimaschutz“ und denken: teure Heizung, Verbote, Überforderung. Elisabeth Wehling beschreibt in ihrem Buch “Politisches Framing” wie Sprache die sich anbahnende Katastrophe verharmlost. Klimawandel hört sich neutral an, Klimaverschlechterung zeigt dagegen die Richtung an und hätte eine andere Wirkkraft. Globale Erwärmung impliziert das positive Konzept von Erwärmung, tatsächlich handelt es sich um eine Überhitzung die Leid und Tod über Menschen und Tiere bringt. Eine konservative Presse, insbesondere die Bild-Zeitung, hat dieses Gefühl polemisch aufgegriffen und die Grünen zum Buhmann gemacht. Rechtspopulistische Gruppen wie die AfD haben diese Stimmung geschickt verstärkt. Sie sprechen von „Klimadiktatur“, „Heizungszwang“, „Verlust der Freiheit“. Sie treffen damit einen Nerv: das Gefühl, sich nichts vorschreiben lassen zu wollen.
Ein neues Framing für Klimaschutz
Framing heißt: Wir verstehen die Welt in Bildern und Bedeutungen, nicht in Argumenten. Wenn „Klimaschutz“ mit Verbot, Verzicht und Kosten assoziiert wird, dann helfen Fakten nur wenig. Sie erreichen die Menschen nicht – sie passen nicht ins Weltbild. Das nennt man kognitive Dissonanz.
Wir können das Bild im Kopf verändern.
So wie beim Rauchen, weg von Angst und Schuld, hin zu einem positiven Selbstbild: Ich übernehme Verantwortung, gerade weil ich frei bin. Mir ist der Schutz der Umwelt und die Zukunft meiner Kinder wichtig ich gehöre zu denen, die das Richtige machen. Wenn wir den Klima- Umweltschutz wieder positiv aufladen wollen, brauchen wir neue Worte und neue Geschichten. Wir reden nicht von Verboten, sondern vom Gewinn, den klimagerechtes Handeln bringt. Wir stellen nicht die Einschränkungen in den Vordergrund, sondern die Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens. Nicht Verzicht, sondern Lebensqualität. Entspannter fahren, weniger Stress, weniger Unfälle – deshalb Tempo 130 auf der Autobahn. Ein gut isoliertes Haus heißt warme Füße im Winter, kühle Räume im Sommer und niedrigere Heizkosten. Erneuerbare Energien bedeuten Unabhängigkeit von Krisen, Frieden statt Rohstoffkonflikte. Klimaschutz kann das Narrativ der Fülle erzählen: mehr Ruhe, mehr Nähe, mehr Gesundheit, mehr Freude. Es geht nicht darum, etwas aufzugeben, sondern darum, etwas wiederzufinden – das, was im Übermaß des Konsums verloren ging. Das kannst du fühlen, wenn du dich auf den Weg machst.
Bild von Sabine auf Pixabay
Was wir in Neuruppin tun können
In unserem Verein Klima und Alltag erleben wir immer wieder, dass Veränderungen dort entstehen, wo Menschen spüren, dass ihr Handeln Sinn macht. Wenn Nachbarn gemeinsam eine Energieinitiative gründen. Wenn Kinder in Schulen lernen, was es heißt, einen Apfelbaum zu pflanzen und die eigenen Äpfel zu pflücken. Wenn jemand beginnt, weniger zu kaufen und dafür bewusster zu leben – und merkt, wie befreiend das ist. So entsteht ein neues Framing: Nicht „Klimaschutz gegen den Alltag“, sondern „Klimaschutz als Teil eines guten Alltags“. Nicht von oben verordnet, sondern von unten gelebt. Ich glaube, dass wir heute an einem ähnlichen Punkt stehen wie damals beim Rauchen. Wir wissen längst, was zu tun ist. Aber erst wenn sich das Bild im Kopf ändert, wenn Klimaschutz nicht mehr als Einschränkung, sondern als Möglichkeit erlebt wird, dann wird sich wirklich etwas bewegen. Der Wandel beginnt nicht mit Verboten, sondern mit neuen Bedeutungen. Wenn wir erkennen, dass das, was dem Klima und der Umwelt gut tut, auch uns gut tut, dann wird Klimaschutz kein Pflichtprogramm mehr, sondern Ausdruck von Würde, Achtsamkeit und Lebensfreude. Vielleicht ist das eine schöne Metapher für das, was uns jetzt bevorsteht: Lernen, wieder bewusst zu atmen – als Einzelne und als Gesellschaft.
Der Raum in der Fischbänkenstraße war gut gefüllt zur Jahreshauptversammlung. Einzelheiten werden gewiss solide protokolliert. Hier sei nur auf den fälligen Rückblick, aktuell Anstehendes und für 2026 grob Geplantes hingewiesen.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Matthias Frinken und Otto Wynen vom Vorstand wirkten recht zufrieden mit dem Erreichten. Ausstellungen in der Fischbänkenstraße, die Hofaktion im Mai mit Lesung, Musik und Livemalerei, der Schinkel-Raum in der „Krümelkiste“, der gemeinsame Ausflug nach Zermützel mit Kontaktpflege und Bauhintergrund, die „Henselmann“-Lesung in Kooperation mit der Fontane-Buchhandlung und eben erst der Kulturstammtisch in Kooperation mit der Stadt Neuruppin – das war nicht wenig. Das Projekt Treppenforschung, an dem Mitglieder wie Irina Rockel und Rene Wldgrube beteiligt sind, wird in wenigen Tagen im Museum Thema sein. Im Dezember folgt in den Räumen der Geschäftsstelle eine Ausstellung zum Thema „Garagen in Neuruppin“ – sozial- und kulturgeschichtlich betrachtet. Zur Weihnachtsfeier wird am Tag danach eingeladen, angereichert durch die kleine Lesung „Kein Baustelle ohne Liebe“. Jakobs, Neutsch, Reimann – DDR-Literatur pur. Wann die eben erst stilvoll gerahmten Schinkel-Motive gezeigt werden, sei noch offen, sagte man. Auf jeden Fall, da war man sich einig, soll Schinkel präsenter sein. In diesem Zusammenhang wurde auch das Thema Blickfang auf Fischbänken genannt, anlassbezogen und alltäglich.
Otto Wynen präsentiert neu gerahmte alte Schinkel-Motive.
Die stolze Reihe ist bereits Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses. Otto Wynen wies darauf hin, dass die Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel, kurz: Steuergelder, von der Erweiterung und Modernisierung des Auftritts der KFSG abhänge. Das habe 2023 bis 2025 gegolten, das gelte 2026 bis 2028. Als gemeinnütziger Verein kümmert man sich um die zwingend notwendigen Voraussetzungen. Auch 2026 soll es Ausstellungen geben. Zu klären bleiben Präsenz und Öffnungszeiten. Fachkundige Vorträge von Ulrich Gaebler und Gerd Kley könnten angeboten werden. Als mögliches Ausflugsziel wurde Potsdam angeführt, im Fokus die Synagoge. Am 14. April 2026 ist an den 200. Geburtstag von Alexander Gentz zu erinnern. Seitens des Museum laufen die Planungen bereits. Irina Rockel hat erst kürzlich im Verein Tempelgarten an das Faktum erinnert. Klar, dass bei Schinkels das Stichwort “Gentzerode” fällt. Das Jahr 2026 wird sicherlich auch vom 2031 anstehenden Jubiläum geprägt sein. Fünf Jahre Vorbereitung sind nicht zu viel. Mitgliederwerbung war auch ein Thema bei der Jahresversammlung. Dann Schulkontakte. Eine Brücke zum Schinkelgymnasium? Nicht wörtlich, aber wirklich und wirkungsvoll.
Manfred Kühne und Rene Wildgrube beim Pausengespräch. Fotos: VHS
Bleibt die erklärte Absicht, fürderhin öfter bei “Schinkel Lectures” und “Schinkel Talks” in Berlin aufzuschlagen. Die nächste Gelegenheit fällt noch ins laufende Jahr. “Das Inszenatorische bei Karl Friedrich Schinkel” nennt Anna Pfäfflin vom Kupferstichkabinett ihre Lektion am 18. Dezember. Ob Otto Wynen deshalb zum Bild vom Schauspielhaus gegriffen hat? Vermutlich nicht. Das Inszenatorische bei Schinkel ist weiter gefasst, ist bildprägend. Tatsächlich soll 2026 mal was bei Schinkels inszeniert werden – mit Tanz und Musik. Sein Schulabgang, das lockende Glück…
Unter den metaphorischen Redewendungen sind die “Stolpersteine” seit dem Jahr 2000 ein Sonderfall. Es gibt sie wirklich. Der Künstler Günter Demnig begann mit der genehmigten Verlegung von kleinen Gedenksteinen aus Messing für die Opfer der NS-Diktatur. Im Gedenken an die Pogrome am 9. November 1938 wurden die Neuruppiner Stolpersteine am Sonntag gereinigt.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Vor dem Haus Karl-Marx-Straße 22 gilt das Gedenken der 1850 geborenen Jüdin Emilie Drucker, geborene Trepp. Man erfährt, dass sie 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie am 22. Juni verstarb. Hochbetagt. Stolpersteine beziehen sich stets auf den letzten privaten Wohnort. Sogenannte “Judenhäuser” sind keine Adresse, da dort unter Zwang einquartiert wurde. Stolpersteine ohne namentlichen Bezug wie in Neuruppin in der Nähe der einstigen “Irrenanstalt” bilden eine Ausnahme. Würdigung und Erinnerung sollen hier dem nicht immer eindeutig zu klärenden Leidensweg gelten, auch den Verbrechen der Eunthanasie. Das Gedenken umfasst alle Opfergruppen der NS-Zeit.
Jedem Stolperstein in der Stadt galt die Aufmerksamkeit der Beteiligten.
Der 9. November 1938 war ein Mittwoch. Die Zerstörung von Synagogen, Wohnungen und jüdischem Eigentum hatte Methode, unterschied sich aber von Ort zu Ort. Die Täterschaft beschränkte sich keineswegs auf die SA. In Neuruppin galt die entfesselte Gewalt primär den Wohnungen, gezielt gewählten Häusern und materiellen Gütern, teils auch religiösen Gegenständen oder Kunstwerken. Leib und Leben waren in Gefahr. Mittendrin die bedrohten Kinder und Jugendlichen, Kranke und Betagte. Der 9. November 2025 war ein Sonntag. Die Bürgerinnen und Bürger, die sich am frühen Nachmittag beim Jugendwohnprojekt “Mittendrin” ganz im Zeichen von “Neuruppin bleibt bunt” auf den Weg durch die Stadt gemacht hatten, konnten den Schulplatz ohne Schwierigkeiten passieren. Noch hatte das bunte Treiben am letzten Tag des “Martinimarktes” nicht so richtig begonnen. Mit nachdenklichen Wortbeiträgen und musikalischen Einlagen wurde dieser Gang durch die Straßen der Stadt verantwortungsbewusst und bewusst unspektakulär gestaltet.
Unterwegs zum nächsten Stolperstein im ewig bunten Neuruppin. Fotos: VHS
Unter den Akteuren war auch Bürgermeister Nico Ruhle (SPD). Er hatte im “Kunstraum” bei der sehr gut besuchten Vernissage zur Ausstellung “Licht und Dunkel” ausdrücklich zur Teilnahme an der Stolpersteinaktion in Neuruppin aufgerufen. Die auf die Putzaktion folgende musikalische Lesung im Jugendwohnprojekt kollidierte terminlich mit dem Konzert in der Klosterkirche. Synagogenmusik aus aller Welt erklang dort. Zuvor wurde von Pfarrer Klemm-Wollny ausdrücklich und eindringlich an die Ausschreitungen vom 9. November 1938 in Neuruppin und Umgebung erinnert. Namen von Jüdinnen und Juden, die in Neuruppin auf Stolpersteinen stehen, waren auch dort zu hören.
Rohe Gewalt, bösartige Brandstiftung, Sachbeschädigung und Demütigung prägten die Nacht der NS-Pogrome am 9. November 1938 in ganz Deutschland. Das Gedenken daran in der Klosterkirche gemeinsam mit dem Berliner Synagogal Ensemble zu gestalten, verändert die Blickrichtung: Jüdische Religiosität rückt in den Mittelpunkt. Ein Konzert ohnegleichen!
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Pfarrer Thomas Klemm-Wollny stellte die Erinnerung an jüdische Familien aus Neuruppin an den Anfang der gut besuchten Veranstaltung. Die Leidensgeschichten sind gut dokumentiert. Jedes Beispiel berührt. Doch statt aus den Verbrechen Klagemusik werden zu lassen, entführt das Synagogal Ensemble Berlin in die Welt der lebendigen Synagogen, des Gemeindelebens, der Liturgie, Psalmen inbegriffen. Matthias Noack erwies sich als ein sicherer Begleiter an der Orgel und am Elektropiano. Für diesen Auftritt hat Dirigentin und Initiatorin Regina Yantian vor sich die Sopranistinnen Lea Kohnen un Liza Steinbock, den Tenor Berk Altan, den Bass Alexander Konieczka und als Altstimme Diana Kantner. Bei diesem Berliner Ensemble ist der Wechsel die Regel. Das mag einer der Gründe für die wunderbare Lebendigkeit sein. Als Solistin hätte Lea Kohnen in einem Konzert der üblichen Art sicher viel Applaus bekommen. Ihre Imagination einer russischen Synagoge durch ihr “Schomer Jisroel” von Samuel Alman bewegt zutiefst. Sie brennt für den Glauben. Müssen Worte wie “Nation” und “Überrest” die Erde brennen lassen?
Zwei starke Stimmen: die Sopranistinnen Lea Kohnen und Liza Steinbock. Foto: VHS
In der Klosterkirche herrschte andächtige Aufmerksamkeit. Applaudiert wird erst am Ende, dann aber umso mehr. Textblätter verkleinern die Sprachhürden ein wenig, etwa wenn “Chischki Chiski” von Abramahm Casers aus den Niederlanden angestimmt wird oder “Ja’ale” von Wolf Schestapol aus der Ukraine erklingt, beides ehrfürchtige Gebete der Jüdinnen und Juden. Werke des deutsch-jüdischen Komponisten Louis Lewandowski bilden einen Schwerpunkt, ohne allzu viel Schwere. Fröhlicher Gesang öffnet die Tür der Synagoge, mit andächtigem Gesang beginnt der Schabat, hymnischer Gesang fein verwobener Stimmen erklingt, um Worte des Gottvertrauens zu offenbaren. Bleibt Israel, bleibt “Jeruschalaim Schel Sahaw” – mit einer Geige im Mittelpunkt. Kein Streicher in Sicht. Also singen die unaufgeregt dirigierten Sängerinnen und Sänger, als hätte Naomi Schemer gedichtet: “Jerusalem aus Gold, aus Kupfer, Licht und Stein, lass mich für alle deine Lieder die Stimme sein.” Standing Ovations! Blumengebinde! Zugabe! Der Pfarrer aber ließ die Versammelten nicht ohne Mahnung raus aus dem Gotteshaus. Natürlich weiß er, dass auch die sogenannten Deutschen Christen nicht erst 1938 schwere Schuld auf sich geladen haben. Der Gefährdung der Demokratie engagiert entgegenzuwirken, das war sein Appell als Christ und sein Wunsch: “Shalom!”
Ob der jüdische Unternehmer und Kunstsammler Max Silberberg 1942 in Treblinka oder in Auschwitz von den Nazis ermordet wurde, weiß man nicht. In der Ausstellung “Licht und Dunkel – eine Hommage an Max Silberberg” werden Werke von Gregory Berstein gezeigt. Max kam 1878 in Neuruppin zur Welt. Bei der sehr gut besuchten Vernissage am 9. November ging es auch um die Pogrome im November 1938 und um das Schicksal weiterer Familienmitglieder.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Klammern wir einmal aus, wie viel Prominenz aus Politik, Kultur und Gesellschaft versammelt war, als Kurator Johannes Bunk die Gäste begrüßte. Folgen wir fast nur den Worten von Günter Hommel, nachdem ein paar Motive vorgestellt sind, mit denen der in Köln lebende entfernte Nachfahre Gregory Berstein Erinnerung und Würdigung zum Ausdruck bringt. Ein Herzensanliegen, das war ihm anzumerken, als er sich selbst kurz an die Gäste wandte. “Shabat” und “Kunstsammler” sind eigentlich unspektakulär, zeigen womöglich Max’ Welt, von Wärme eingerahmt oder umströmt. “Traumbild II und I” erschließen sich nicht ganz einfach. “Vermögenserklärung” ist in kleinen Buchstaben zu entziffern. Max’ Antlitz ist zu sehen, wo das andere Bild schwarz bleibt und diesen einen Menschen klar konturiert.
Günter Hommel und Gregory Berstein im Kunstraum nah am “Kunstsammler”.
Hinter dem surreal anmutenden Motiv mag der Druck der braun eingefärbten Finanzbehörde stecken, alle Eigentumsverhältnisse und alle Transaktionen offen zu legen. Steuer- und Abgabenpolitik waren Teil der Repression, bis zu den Bestimmungen, die bei Auswanderung.gegen Juden und Jüdinnen in gnadenloser Strenge geltend gemacht wurden. Günter Hommel gab entsprechede Hinweise, nachdem die wichtigsten biografischen Daten der Familie knapp skizziert waren. Die Angaben sind auch auf der Homepage des Kunstraums zu finden.
“Traumfiguren II und I” – im Zusammenspiel ein Stück Tiefenspsychologie. Fotos: VHS
Neuruppin, Hamburg, Beuthen, Breslau – das sind die wesentlichen Stationen. In Neuruppin geht’s als Familie von der damaligen Friedrich-Wilhelm-Straße 15 in die Fischbänkenstraße 20. Dort hat der AfD-Bundestabgordnete Götz Frömming erst kürzlich die Geschäftsstelle der Partei eingerichtet. In seinem Grußwort wies Bürgermeister Nico Ruhle (SPD) auf den hinstorischen Hintergrund der Pogrome hin, auf Zerstörung und Verfolgung und das ewige Gebot der Wachsamkeit. Wenn aus Worten Taten folgten, könne es schon zu spät sein. Sein Dank galt allen, die in den letzten Jahren an der Vorbereitung dieses Projekts mitgewirkt haben. Bald wird eine Informationstafel an der Karl-Marx-Straße auf Max Silberberg, seine Familie und das Geschäft hinweisen. Mario Zetsche zeigte als Zuständiger, was man seitens der Stadt zeigen wird. Die Ausstellung ist bis zur Finissage am 30. November von Mittwoch bis Samstag von 15 bis 18 Uhr geöffnet, an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 13 Uhr. Besuch nach Vereinbarung ist ebenfalls möglich.
Eine Gespräch über Mascha Kaleko auf der ersten Seite der Jüdischen Allgemeinen, das überrascht. Es geht auch um den Fontane-Preis 1959. Die jüdische Lyrikerin lehnte die Auszeichnung ab. Volker Weidermann, der Interviewte, hat sich in seinem Werk “Wenn ich eine Wolke wäre – Mascha Kaleko und die Reise ihres Lebens” näher mit dem Fall befasst.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Jene Reise fand 1956 statt. Trotz aller Bedenken und Wunden kehrte die 1938 emigrierte jüdische Lyrikerin für ein paar Monate nach Deutschland zurück, also in die BRD und nach Westberlin. Durch ihre Schwester gab es auch Kontakt in den Osten. Und Verlagsaktivität. Ein Comeback. Und eine interessante Story, die Weidermann zu erzählen weiß. Bis hin nach Israel und die traurigsten Tage. Gedichte werden überaus geschickt eingefügt. Anders als bei manchen Lesungen wird Kaleko nicht entpolitisiert, nicht romantisiert. Schon gar nicht beim Thema Fontane-Preis. In Neuruppin könnte man bei dem Stichwort an die Auszeichnung in der Geburtsstadt des Dichters denken. Den Preis der Stadt Neuruppin und des Landes Bradenburg gab es allerdings 1959 noch nicht. In West-Berlin wurde seit 1948 ein Literaturpreis unter wechselnden Bezeichnungen verliehen. Daraus wurde dann der “Fontane-Preis für literarische Werke jeder Gattung”. Weidermann spricht in der Jüdischen Allgemeinen von einem “symbolischen Moment”. Mascha Kaleko habe sich geweigert, “den Preis aus den Händen eines Mannes entgegenzunehmen, der in der NS-Zeit Propagandist war”. Ins Visier war Hans Georg Holthusen geraten, im Jahr 1959 Direktor der Abteilung Dichtung der Akademie der Künste. Kaleko emigrierte im Jahr 1938 kurz vor den Pogromen in die USA. An ihrer Seite ihr zweiter Ehemann Chemjo Vinaver und ihr Sohn Evjatar aus einer anderen Beziehung. Im Jahr 1933 hatte Kalko “Das lyrische Stenogrammheft “ noch veröffentlichen können. Hans Georg Holthusen, Jahrgang 1913, trat 1933 in die SS ein. Er gehörte zu der Standarte Julius Schreck. 1937 folgte der Eintritt in die NSDAP. Im Rückblick schildert Holthusen selbst, er habe sich mit 16 Jahren von linksrevolutionärer Literatur begeistern lassen. Und ab 1937 sei er eigentlich nur noch der Form halber dabei geblieben. Derart weißgewaschen („Persilschein“) war eine Karriere als Germanist in der BRD möglich. Ämter, Funktionen und Auszeichnungen zeugen davon.
Vielfarbig, vielschichtig und politisch: Kaleko-Konzert von Dota in Neuruppin. Foto: VHS
Das Spiel will Mascha Kaleko nicht mitspielen. Ein Gespräch zwischen ihr und zwei Vertretern der Akademie am 23. März 1959 in einem Hotelzimmer wurde von ihr protokolliert. Die Notizen zeigen, dass ihr moralischer Rigorismus vorgehalten wird. Holthusen aber wird von den lieben Kollegen sogar zur Figur des Widerstands stilisiert. An seinem Geburtsort Rendsburg pflegt man ein anderes Bild – das der zweifelhaften Karriere. Schade, dass es keinen Mitschnitt gibt von dem entscheidenden Satz. Über Nelly Sachs und Hilde Domin darf auch nachgedacht werden bei solchen Schamlosigkeiten: “Wenn es den Emigranten nicht gefällt, wie wir die Dinge hier handhaben, dann sollen sie doch fortbleiben.” Beim Kaleko-Konzert von Dota in Neuruppin war zwar nicht von diesem Skandal die Rede. Doch das Ensemble, bei dem auch Wencke Wollny aus der Fontanestadt mitmischte, war redlich bemüht, die Tiefen des Werks und die Abgründe dieses Lebens auszuloten. Eine Weidermann-Lesung wäre sicherlich ein weiterer Höhepunkt und eine gute Möglichkeit, den Fontane-Kosmos zu erweitern. Was den Antisemitismus-Vorwurf gegenüber Fontane selbst anbelangt, wird es am 14. November ab 17 Uhr einen Vortrag von Iwan-Michelangelo D’Aprile im Museum Neuruppin geben. Den Vorwurf der “Posthumen Antisemitisierung”, so das Vortragsmotto, würde der 1997 verstorbene Germanist Hans Georg Holthusen seinen Kritikern womöglich auch gerne entgegen werfen. Jeder Fall liegt anders, das scheint gewiss.
Das Angebot ist vielfältig, die lange Nacht beginnt Schlag 13 Uhr mit einer Kindertanzgruppe. Um 23 Uhr ist sie noch nicht zu Ende. Eine Bigband legt los. Auch im Zeitfenster des Abends war das Angebot weit gestreut – inhaltlich und örtlich. Ein Gesamturteil mögen die Götter fallen, auch über das Konzept des Kunst- und Kulturvereins.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Susanne Krell wurde an’s Klavier gezwungen. Elterlicherseits. Und der Pianist Halldor Bjarki Arnarson? Sie wurde aus innerem Widerstand heraus Konzeptkünstlerin und war bei “Tanz & Art” im Gespräch mit Ulrike Liedtke zu erleben. Eine Art Werkschau wurde vor einem Dutzend Interessierter gegeben, Schwerpunkt Frottagen, Höhepunkt: Spuren der Weltreligionen, bis nach Jerusalem.
“Lust und Leid aus alter Zeit” – Amaconsort fasziniert, voll entfesselt.
Halldor Bjarki Arnarson wurde Konzertpianist. Er gehört zum wahnsinnig jugendlich wirkenden Ensemble Amanconsort. Englische Theatermusik aus dem 17. Jahrhundert stand auf dem Programm. Die Verantwortlichen machten es möglich, beide Angebote nacheinander zu besuchen. Die vier Instrumentalisten zaubern und verzaubern. Außerdem zeigen sie Humor. Das allein wäre Grund genug, ihnen länger zu lauschen im Schlosstheater zu Rheinsberg. Voll ist es nicht gerade, leer allerdings noch weniger. So Mittel. Laut der Applaus. Weiter? Mittendrin?
Im Schlossmuseum sind tausend Ideen zu entdecken. Zwei Wände mit Zetteln können noch ergänzt werden. Das Augenmerk der dahinziehenden Gäste gilt insbesondere den Gemälden und der prachtvollen Einrichtung. Schlossgeschichte kann studiert werden. Also Großartiges. Und Kleinigkeiten. Liebschaften, Leidenschaften. Unten bei Tucholsky wartet unartig die Dauerausstellung, dazu die laufende Präsentation einiger Werke von Franziska Zänker. Auf den offenen Plätzen der Kulturstadt herrscht zwischen den Events des Abends kein Gedränge. Nachmittags soll es eine Veranstaltung mit einem einzigen Gast gegeben haben. Was sagt das? Wenig. Anders, wenn man die Resonanz auf die Künste als Volksabstimmung nähme. Rechtspopulisten sollen dazu neigen.
Offene Ohren und Augen für den Geigenbauer an der Mühlenstraße. Fotos: VHS
Beim Geigenbauer wirkt es voll. Noch voller war’s in der Tucholsky-Buchhandlung, als der Blick auf das kommende Jahr gerichtet wurde. Kein Stuhl frei. Großes Interesse. Also weiter. Erstmal hinein in das faszinierende Lichtkonzert rund um das Schloss. Kraniche sind zu hören. Bloß jetzt nicht ablenken lassen durch ihre Luftnummer! Ob 2026, wenn des 300. Geburtstages des Prinzen Heinrich von Preußen gedacht wird, anders getaktet wird und noch weiter gestreut?
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