Das Grundgesetz lässt keinen Zweifel: “Männer und Frauen sind gleichberechtigt.” Wie weit die Wirklichkeit noch davon entfernt ist in der Bundesrepublik, war nicht das eigentliche Thema im Politischen Salon. Es sollte dieses Mal um Frauenfeindlichkeit gehen. Als Gleichstellungbeauftragte der Stadt Neuruppin war Ines Rehfeld von Christiane Schulze eingeladen worden, um das Thema näher zu beleuchten.
Von Volkmar Heuer-Strathmann
Ausgangspunkt der Verfassung ist die Würde des Menschen. Einer der Leitbegriffe ist die körperliche Unversehrtheit. Ein modernes Menschenbild orientiert sich natürlich genauso an der seelischen Unverletztheit. Mit Daten bis zum Jahr 2023
konnte Rehfeld darlegen, dass die extremste Form der Frauenfeindlichkeit, der Femizid, häufiger vorkommt als ehedem. In der großen Mehrzahl der Fälle ist der Täter der Partner oder ein ehemaliger Partner. Über die konkreten Ursachen des Frauenhasses wäre von Fall zu Fall zu sprechen, da war man sich einig. Gewisse Erfolge auf dem Weg zu Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen dürften auch ihren Platz haben im Ursachengeflecht. Deshalb von diesem Ziel abzulassen, wäre allerdings eine absurde Konsequenz. Kein Widerspruch. Von narzisstischen Kränkungen war die Rede, von Eifersucht und Racheakt. Und um die Wiederkehr alter Männlichkeitsideale ging es ebenfalls, ob religiös geprägt oder ideologisch aufgeladen und parteipolitisch propagiert.
Auf die zunehmende Gereiztheit im Alltag wurde aus der Runde hingewiesen. Es könnte sein, dass Mädchen und Frauen der damit einhergehenden Gewaltbereitschaft stärker ausgesetzt seien. Dass es auch zwischen Menschen weiblichen Geschlechts Frauenfeindschaft gebe, ergänzte Rehfeld. Solidaridät mit Opfern von Frauenfeindlichkeit und Sexismus stellt sich demnach auch bei Mädchen und Frauen keineswegs automatisch ein.
Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt wurden vorgestellt. In Neuruppin wäre an erster Stelle der Verein “Frauen für Frauen” zu nennen (Telefon 03391-2303). Rehfeld wies darauf hin, dass die Präventionsarbeit intensiviert werden müsste. Schon war man beim Erziehungsauftrag der Schulen. Im Falle von Cybermobbing gegenüber Mädchen sind Schulen auch immer wieder Tatort oder gehören zum Tathintergrund. Moderne Medienerziehung, die auch soziale Netzwerke einbezieht, will hier ansetzen, um das Problembewusstsein zu erhöhen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Arbeit steckt immer noch in den Anfängen.

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Eine ausliegende Broschüre zeigt, was mit der Parole “Istanbul goes Brandenburg” verbunden ist. Ob der Titel im zuständigen Ministerium in Potsdam glücklich gewählt ist, war im Hinterhof kein Thema. Mit der 2017 auch in Berlin ratifizierten Istanbul-Konvention geht die Verpflichtung einher, seitens der Bundesregierung und der Landesregierungen “alle erforderlichen politischen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt (gegen Mädchen und Frauen) zu verhindern, vor weiteren Gewalttaten zu schützen und Gewaltausübung zu sanktionieren”. Die Gesetzgebung gerät in Visier. In anderen Staaten der EU sei man weiter, auch in Sachen Strafverfolgung und Rechtsprechung, sagte Rehfeld. Ausdrücklich gelobt wurde die veränderte Ausbildung von Polizisten und Polizistinnen. Für ältere Beamte werde Fortbildung angeboten. In OPR und in der Kreisstadt sei das schon zu spüren.
Im Gespräch ging es um den Begriff “Täterarbeit”, um psychotherapeutische Möglichkeiten und Grenzen und die Relevanz von elektronischen Fußfesseln. Dass die auch literarisch und filmisch munitionierte Neigung zur Psychologisierung nicht unproblematisch sei, war schon vorher aus dem Mehrgenerationenstuhlkreis zu bedenken gegeben worden.
Als Lektüretipp kann der Bezug auf Manon Garcias eben erschienenes Buch “Mit Männern leben” verstanden werden. Die 40jährige Sozialphilosophin aus Berlin wagt sich an die Abgründe, die 2025 im “Pelicot-Prozess” in Frankreich publik wurden, bis hin zur “Banalität des Bösen” (Hannah Arendt). Potenziell Diskussionsstoff für einen weiteren Salonabend.
Am 25. November 2025 ist der internationale “Tag gegen Gewalt an Frauen”. Auch in Neuruppin, so Christiane Schulze und Ines Rehfeld, werde es Aktionen geben, etwa am Vormittag auf dem Schulplatz. Der Hinweis auf die Kraft fragwürdiger Rollenbilder, die ausstehende Überwindung von Benachteiligung und Diskriminierung von Mädchen und Frauen und die Orientierung an Leitbegriffen wie Gewaltfreiheit, Selbstermächtigung und Vielfalt, das Streben nach Gleichberechtigung im Alltagsleben – all das ließ deutlich werden, dass jeder Tag ein Aktionstag für Menschlichkeit sein könnte. Dass die Befreiung von der “heterobinären Zuschreibung” von traditionalistisch geprägten Menschen als Zwangjacke empfunden wird, war nicht Thema. Wohl aber gab es einen Hinweis auf Pornografiekonsum im Internet und Datenvolumina. Auch hier liegen Männer klar vorne, auch hier ist “Not am Manne”, nicht erst im Mannesalter. Allein der Stromverbrauch…


