Verse, Impulse, Sentenzen – manchmal mit erhobenem Zeigefinger Bundespräsidentenworte von Theodor Heuss bis Frank-Walter Steinmeier

Foto des Dienstwagens des Bundespraesidenten

Zitate, Patzer & politische Impulse: Was deutsche Bundespräsidenten von Heuss bis Steinmeier wirklich gesagt haben – ein Rückblick auf ihre wichtigsten Worte.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Der erste Bundespräsident Theodor Heuss als junger Mann. (Quelle: Eugen Diederichs Verlag)

Theodor Heuss war schon als junger Mensch ein Mann des Wortes. Das zeigen seine frühen Gedichte. “Dem grauen Tag folgt eine finstre Nacht”, heißt es etwa in “Streik”. Der Text ist inzwischen 122 Jahre alt. Theodor war 19. Weiter geht’s: “Der Morgen kommt. Die Räder stehn still”. Schon fragt man sich, ob da nicht auch eine Karriere in SBZ und DDR möglich gewesen wäre. In der BRD sind diese Verse dem ersten Bundespräsidenten nicht angelastet worden. Er war Liberaler und galt auch als liberal.
In dem höchsten Staatsamt will jedes Wort gut überlegt sein, das zeigen die späteren Amtsinhaber. Es wurden Zeichen gesetzt – manchmal durch Patzer.
So schien Bundespräsident Heinrich Lübke am 17. Juni 1965 entfallen zu sein, wo er spricht. “Wenn ich heute hier in äh in…” Stille. Ein Zuruf. Nach Helmstedt kam man nicht einfach so. Am 17. Juni schon gar nicht. Realsatire wäre wohl das passende Wort. Bundespräsident Gustav Heinemann wird gern zitiert mit den Worten: “Wer mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, sollte daran denken, dass zugleich drei andere Finger auf ihn selbst zurückweisen.”
Walter Scheel hat als Bundespräsident 250 Reden gehalten. “Miteinander, nicht gegeneinander”, war sein Motto, als er 1974 das Amt antrat.
Carl Carstens fiel dadurch auf, dass er Fettnäpfchen nicht ausließ. “Ein Wehrpflichtiger leistet mehr für den Frieden als die Friedensbewegung.” Vermutlich meinte er die Eingezogenen. Die anderen Jahrgangshelden konnten sich ins Fäustchen lachen, zumal für sie kein Zivildienst anstand.
Richard von Weizsäckers Worte vom 8. Mai 1945 als “Tag der Befreiung” dürften in keinem Geschichtsbuch fehlen. Im Falle von Roman Herzog ist es die “Ruck”-Rede, die unvergessen bleibt: “Durch Deutschland…” Johannes Rau wird gerne zitiert mit den Worten: “Auftrag der Politik ist es, die Welt menschlicher zu machen, nicht unmenschlicher.” Horst Köhlers Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten wird mit einem Interview in Zusammenhang gebracht, das er im Flugzeug gab. Man kam aus Afghanistan. Köhler ließ sich zu der Äußerung hinreißen, im Notfall sei auch “militärischer Einsatz notwendig, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege”. So kann’s gehen unterwegs… Christian Wulffs Worte lösten noch insenivere Debatten aus – bis heute: “Der Islam gehört zu Deutschland”, zeigte sich der Bundespräsident überzeugt. Sein Nachfolger Joachim Gauck wurde fast wieder Glaubensmann, als er sagte: “Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten, sie sind endlich.” Zum Prozess der Wiedervereinigung hat er als ehemaliger Bürger der DDR auch manches Wort gesagt, das heftig nachhallt.


Der amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als junger Mann. (Quelle: United Charity/RTL)


Bleibt Frank-Walter Steinmeier, der amtierende Bundespräsident. Als Ostwestfale eher wortkarg? Nicht die Spur! Einige Leuchtzeichen gibt es schon. Etwa Wahl- und Wählerbetrachtungen. Oder differenzierte Konflikt- und Kriegsbemerkungen. In Neuruppin ging es Steinmeier um den Bürgerkontakt. Dann sagt man als Mann gern auch mal was über die Liebe. So als Mensch unter Menschen. Er müsse “schon lange leiden”. Echt? – Ach, es geht um Schalke 04. Für’s Geschichtsbuch reicht das allerdings noch nicht…

“Geh! Leb’ dein Leben!”William Shakespeares “Sommernachtstraum” – ein Feuerwerk im Hangar 312

Jugendkunstschule Neuruppin inszeniert Shakespeares „Sommernachtstraum“ im Hangar 312 – mit Tanz, Theater, Mut & Vielfalt.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

“In dieser Nacht scheint alles möglich”, heißt es auf dem Programmzettel der Jugendkunstschule. Der Sommer, die Nacht, ein Traum – einfach berauschend oder betörend, was William Shakespeare da hervorgezaubert hat. In Neuruppin nahm man den Stoff, um die Intrigen und die Sehnsucht nach wahrer Liebe, die Rollenzuschreibungen und das Ringen um Identität noch weiter voranzutreiben. Drei Tanz- und zwei Theatergruppern erarbeiteten die Produktion unter der Leitung von Angela Hundsdorfer, Gritt Maruschke und Christine Schramm. Am Vormittag war der Hangar voll besetzt mit Schülerinnen und Schülern aus dem 8. Jahrgang. An diesem Vormittag war vieles möglich, doch die Temperaturen erhöhten noch die Beanspruchnung der Akteure und des Publikums, von den Aufsicht führenden Lehrkräften ganz zu schweigen.


Häusliche Gewalt in gehobener Gesellschaft? Foto: VHS

Als Lysander ist Mattis Linde zu erleben. Lennard Conrad gibt den Demetrius. Der Wertschätzung des Gezeigten entsprechend wären Dayamayi Lelling als Hermia, Clara Halfter als Helena und Leonie Seelmäcker als Herzog Theseus’ Verlobte zu nennen. Der wird gespielt von Viktoria Kadyrova. Bleibt Sabina Cheibas als Egeus, also als Hermias Vater. Elin Achilles ist “Gast” in dieser Nacht. Es ist nicht leicht, hier den Überblick zu behalten und sich zu vergegenwärtigen, was eigentlich gerade gespielt wird.
Denn um den roten Faden rankt sich eine verspielte Elfenwelt mit Oberon und Titania als Königspaar (Juri Marotzke und Lotta Leisering). Eltern, am Vorabend sicherlich zahlreich vertreten, wissen bei solch einer Produktion vermutlich genau, wo das eigene Kind agiert. Aber ein Zugereister? Dass hier die Probenarbeit selbst zum Bühnspiel wird, hat Witz und Selbstironie. Eine Baustelle ist aufgeschlagen. Warnwesten warnen. Lösungen werden gesucht. Gern mit dem Reclamheft in der Hand. Bei den großartigen Tanzpassagen wäre derartiges Herumwursteln grotesk. Man hat genug geprobt! Und ist nicht zu halten. Hier wird die versprochene Leichtigkeit wirklich erreicht und man fragt sich angesichts der Choreografien, warum nicht mehr und häufiger applaudiert wurde. Schüchternheit? Schulversagen?


Phantasialand reicht bis zur “Wand” und nicht weiter! Foto: VHS

Stürmischen Applaus gab es erst am Ende. Und der galt auch Johanna Ihlefeldt, Anastasiia Matveieva, Anastasia Maslij, Viktoria Kadyrova, Alexandra Grandt, Nina Berger und Valentin Heinhold – von der “Bohnenblüte” bis zur “Wand”. Puck, ebenfalls Elf, hatte sich vervielfacht. Außer bereits genannten Akteuren wären Taisiia Chudnovska, Johanna Pohl und Nayla Langer zu nennen. Die Kostümierung war eine Wucht, Desiree Bühler-Oesterle war dafür zuständig. Für die musikalische Balance zwischen anmutigen Klängen und fetzigen Rhythmen sorgten Jochen Kilian, Ludovico Enaudi und Daniel Hope.
Bleiben die beiden Stimmen, die zu Beginn und zum Ausklang zu hören sind. Lebensfragen stehn an. Ratgeberrhetorik? Weit mehr! “Geh! Leb’ dein Leben!”, heißt es plötzlich. Frank Matthus und Angela Hundsdorfer haben diesen Rahmen geformt. Wort für Wort. Als die jungen Leute im Spiel von Individualität und Vielfalt sprechen, von Hautfarbe, Geschlechtern, von Wünschen und Ängsten, hatte die mutige Inszenierung ihre größte Intensität. Furios! Aber sicher nicht ganz leicht “für alle Generationen verständlich”…

“Überall ist man nur da wahrhaft lebendig, wo man Neues schafft.”Neue Akzente in der Schinkel-Gesellschaft mit Werken von Geli Schulze

Betrachterin der Kunstausstellung

Künstlerin Geli Schulze zeigt neue Werke in Neuruppin. Die Schinkel-Gesellschaft setzt mit dem KunstSchauFenster 2025 neue Impulse.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Eine Besucherin aus Bitterfeld nähert sich ganz vorsichtig der “Spitzendecke”. Was wie eine sorgfältige Handarbeit – “vermutlich von Frauenhand” – anmutet, ist etikettiert mit den Fachbegriffen “Acryl auf Leinwand”. Im Werk daneben sind zwei rote Fäden zu finden – nicht eingeflochten. Die Besucherin zeigt ich tief beeindruckt. Als Tagesgast in Neuruppin war sie mehr zufällig des Wegs gekommen.
Die beiden Werke gehören zu einer Ausstellung, die Einblicke gewährt in die Arbeit der Neuruppiner Künstlerin Geli Schulze. KunstSchauFenster nennt die Karl-Friedrich-Schinkel-Gesellschaft das neue Format. Auch in Zukunft soll – so Otto Wynen vom Vorstand – ein kleines Heft als KunstSchauFenster knappe Informationen bieten und Beispiele zeigen. Das erste setzt Maßstäbe, auch ästhetisch. Es lockt an und es lässt nicht los. Man kann später nochmal nachlesen, nachschauen, nachdenken. Flyer bieten oft schon nicht wenig, das KunstSchauFenster bietet als kleine Broschüre weit mehr. Wie sagte schon Schinkel: “Überall ist man nur da wahrhaft lebendig, wo man Neues schafft.”
Die Art, wie Geli Schulze Strukturen präsentiert, fasziniert. Vor den Schwärmen der Stare bleibt der Gast auch schon mal länger stehen. Was gerade noch betrachtet wurde, scheint einen schon zu umgeben. Als Kreatur in der Menge. Unsicher im Kurs? Eine Momentaufnahme von ungeheurer Dynamik.
Krasser könnte der Kontrast kaum sein: “Toter Spatz” ist da notiert. Wieder zwei Varianten. Keine Spur von Bewegung. Kein Zeichen von Gewalt. Ein natürlicher Tod? “Anmut und Würde” kommen zum Ausdruck, so ruhend, so schön ins Bild gesetzt wie unter dem Vergrößerungsglas der Kunst.
Auch die Werke “Noch nicht” und “Stur” sind Körperbilder, hier von Menschen, skizzenhaft und doch abgeschlossen. Ein tiefer Blick in die Seele, eine Haltung zur Welt, zum Leben.

Foto eines Ausstellungsstückes

Ein Blick ins KunstSchauFenster gedruckter Art. Foto: VHS

Immer mal wieder bleiben Passanten an diesem Sonntagnachmittag draußen stehen. Schauen. Reden. Die Cutouts fallen aus dem Rahmen. Etwa die große Biene. Oder der Käfer. Endlich mal Kafka in der Fontanestadt? Eine Verwandlung? Oder bloß Biologie? Wieder Strukturen, wieder Konturen. Kritik wird einmal auch laut: “Schade, dass man nicht in die Tiefe schaut.” Die KFS ist eben keine Galerie. Bis 2031 habe man noch viel vor, so Wynen.
Die Ausstellung läuft bis zum 20. Juli 2025. Über die Öffnungszeiten kann man sich auf der Hompage der KFS-Gesellschaft informieren. Und die Künstlerin präsentiert sich natürlich auch im Netz.

In Rheinsberg: “Fruchtblase geplatzt!” In Neuruppin: “Glücklich entbunden!”Stadtschreiberin Olga Hohmann hat eine mitreißende Geschichte zu erzählen

Stadtschreiberin Olga Hohmann

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Wir schreiben das Jahr 1992. Die Eltern von Olga Hohmann machen Ferien in Rheinsberg. Olga war schon mit von der Partie. Die Mutter war schwanger. Was die beiden Wessis veranlasste, im Osten in einem ehemaligen FDGB-Heim abzusteigen, ist auch Olga nicht ganz klar. Es könnte mit dem Kunstinteresse der Mutter zu tun haben. Als Stadtschreiberin hat Hohmann drei Monate Gelegenheit, dem Fall nachzugehen. Im Tucholsky-Literaturmuseum konnte sie zahlreichen Interessierten einen Eindruck von ihrer bisherigen literarischen Arbeit vermitteln.

In Rheinsberg platzt die Fruchtblase, in Neuruppin kommt das Baby zur Welt. Gesund, aber zu früh. Es geht also erstmal in den Brutkasten. Autobiografisches Erzählen stößt an Grenzen. In “Unbekannter Heimatort” mischen sich Reflexionen zum Erinnerungsprozess mit Schilderungen der Erzählgegenwart. Die Anreise von Berlin in einem offenen Cabrio bis nach Rheinsbrg verzaubert die sympathische junge Frau immer noch. Sie wähnt sich in einem Film in Südeuropa und die fasziniert Lauschenden fahren gerne mit. So geht’s wie beflügelt durch das Bundesland der Alleen und Seen.
Andere Erzählmotive gelten der Historie am Ort, vor allem der Kronprinzenzeit und der Herrlichkeit. Und das “Bilderbuch für Verliebte” von Kurt Tucholsky wird auch aufgeblättert. Ob die Geschichte von Claire und Wolfgang die Eltern von Olga in Wahrheit nach Rheinsberg gelockt hatte?

Drei Monate Rheinsberg, das heißt für die 61. Stadtschreiberin im Sommer 2025 Extremwetter, Badelust, Schattenflucht. Waldbrandgefahr gehört auch dazu. “Der Marstall ist ideal”, sagt sie. “Schön kühl!” Bei einem Chor habe sie Anschluss gefunden. Ganz allein singt sie “Der Mond ist aufgegangen”, einst in Rheinsberg komponiert. Mit Interesse hört sie, dass sie in Neuruppin in einer ehemaligen “Irrenanstalt” zur Welt gekommen ist. Der Spur will sie in diesen Wochen auch mal nachgehen. Man weiß ja nie…

Darstellung von Peter Graf und Ellen Krukenberg
Mit Applaus begrüßt: Peter Graf, hier neben Museumsleiterin Ellen Krukenberg.
Fotos: VHS.

Schon vorab hatte Ellen Krukenberg als Leiterin des Museums “den Neuen” vorgestellt. Nein, nicht den nächsten Stadtschreiber. Den Mitarbeiter, der sich in Rheinsberg ab Mitte Juli 2025 mit wissenschaftlichen Fragen befassen wird, so wie es bis zur Pensionierung von Peter Böthig beste Tradition war. Also Entwarnung in der Frage der Museumszukunft? Die Frage war an diesem Abend kein Thema. Aber Graf nutzte die Gelegenheit, sich als Verleger, Literaturwissenschaftler und Publizist aus Berlin kurz vorzustellen. Schon die Tatsache, dass er den “Verlag Das Kulturelle Gedächtnis” aufgebaut hat, lässt für die Zukunft hoffen.
Offen ist noch die Frage, ob die Fontanestadt Neuruppin mit Olga Hohmann eine weitere Autorin für sich verbuchen kann. Eine Tochter der Stadt ist sie. Die Geburtsurkunde ist Beleg. Eine Mindestzahl an verbrachten Minuten, Stunden, Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren gibt es nicht. Theodor Fontane, Erich Arendt und Eva Strittmatter, die bekanntesten Literaturkinder der Stadt, weilten schließlich auch die meiste Zeit ihres Lebens nicht am Ruppiner See, vom Maler und Architekten Karl Friedrich Schinkel ganz zu schweigen. Doch für einen Platz im Neuruppiner Stadtmuseum muss es sicher noch mehr sein als der vielversprechende Rheinsberger Bogen.
Schon am 22. Juli 2025 gibt es in Rheinsberg im Tucholsky-Museum die Gelegenheit, die Autorin erneut zu erleben. Dann tritt sie ab 18 Uhr gemeinsam mit dem Theaterregisseur Jan Koslowski auf. Bei “Toxic Gifts” haben sie 2024 bereits kooperiert. Ein Titel, als würde Tucholsky immer noch heilsam wirken in Wortspielen dieser Art.

„Ein Mensch zweiter Klasse“

Steinmeier und Ruhle an der Emil Wendland Gedenktafel

Vor 33 Jahren wurde Emil Wendland im Neuruppiner Rosengarten von drei Skinheads ermordet. Der Fall zeigt, wie tödlich die Ideologie sozialer Ausgrenzung wirken kann – und wie wenig Obdachlose in unserer Gesellschaft zählen.

Ein Gedenken erinnert nun an das sozialdarwinistische Hassverbrechen.

Von Macron

NEURUPPIN. Es ist eine Sommernacht im Juli 1992, als drei junge Männer durch den Rosengarten ziehen – ein Park im Zentrum von Neuruppin. Sie haben sich verabredet zum „Penner klatschen“, wie sie es nennen. Ein menschenverachtender Begriff für ihr Vorhaben: Obdachlose oder als „Assis“ abgewertete Menschen aufspüren und zusammenschlagen.

Sie finden ihr Opfer auf einer Parkbank. Emil Wendland, 50 Jahre alt, schläft dort, alkoholisiert. Einer der drei, Mirko H., tritt zu ihm, weckt ihn, schlägt zu. Dann folgen die anderen. Sie schlagen und treten den Mann. Als sie sich kurz entfernen, kehrt Mirko H. zurück – und sticht siebenmal mit einem Messer auf den bereits schwer verletzten Emil Wendland ein. In Brust und Bauch. Wenig später stirbt Wendland an seinen Verletzungen.


Das Urteil: Totschlag mit sozialdarwinistischem Motiv

Im Oktober 1993 verurteilt das Landgericht Potsdam den Haupttäter Mirko H., 20 Jahre alt, wegen Totschlags zu sieben Jahren Jugendstrafe. In der Urteilsbegründung heißt es, der Täter habe Emil Wendland für „einen Menschen zweiter Klasse“ gehalten. Ein Mittäter wird wegen schwerer Körperverletzung zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt. Auch das Gericht erkennt den ideologischen Hintergrund der Tat an: Es sei darum gegangen, „in der Nacht Assis aufzuklatschen“ – das Zusammenschlagen von Personen, die als „missliebig“ oder „verachtenswert“ galten.

Die Richter benennen, was lange Zeit verschwiegen wurde: Die Täter handelten aus einem sozialdarwinistischen Weltbild heraus – einer Ideologie, die den Wert eines Menschen nach sozialer Stellung, Leistungsfähigkeit und Anpassung bemisst.

**Ein Mord mit politischem Motiv – aber lange nicht als solcher anerkannt

Was folgte, war nicht nur ein Mord, sondern auch ein Fall von institutionellem Wegsehen. Obwohl die Täter im Prozess sagten, sie hätten aus Hass auf Obdachlose gehandelt, stuften Ermittler die Tat nicht als politisch motiviert ein. Das Landgericht Neuruppin verurteilte den Haupttäter 1993 wegen Totschlags zu sieben Jahren Jugendstrafe, einen Mittäter zu drei Jahren wegen schwerer Körperverletzung. Vom gesellschaftlichen Kontext – rechte Gewalt, Sozialdarwinismus – war kaum die Rede.

Erst Jahre später, nach Recherchen von Initiativen wie der Opferperspektive Brandenburg, wurde die Tat offiziell als rechtsextrem motivierter Mord anerkannt.

**Wendland war mehr als ein Opfer

Von Emil Wendland ist nicht viel überliefert. Er war alkoholkrank, wohnungslos, lebte in Notunterkünften oder auf der Straße. Dass kaum jemand mehr über ihn weiß, liegt nicht nur an seiner Lage – sondern auch an einem gesellschaftlichen Desinteresse. Er war ein Mensch am Rand, ein Mensch, den viele nicht sehen wollten. Genau das machte ihn zum leichten Ziel.

Die Täter sprachen nicht von „Linken“, „Ausländern“ oder „Anderen“ – sie sprachen von „Abschaum“. Ihre Tat war Ausdruck eines sozialdarwinistischen Denkens, wie es im rechtsextremen Milieu verbreitet ist: Nur wer „leistet“, gehört dazu. Wer „schwach“ ist, zählt nicht.

Ein Gedenken – zu spät?

Am Dienstagmittag, 33 Jahre nach der Tat, gedenken Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gemeinsam mit Neuruppins Bürgermeister Nico Ruhle , Vertreter:innen von Neuruppin bleibt bunt und dem Mittendrin in einer Schweigeminute an Emil Wendland. Im Rosengarten legen sie am Mahnmal Blumen nieder.

Doch noch immer stellen sich viele in der Stadt auch eine andere Frage: Warum hat es so lange gedauert, bis Emil Wendland öffentlich gewürdigt wurde? Warum wurde sein Tod nicht sofort als das erkannt, was er war: Ein rechtsradikaler sozial motivierter Hassmord – Ausdruck eines enthemmten Klassenhasses von rechts.

Bundespräsident Steinmeier und Nico Ruhle im Gespräch mit Vertreter:innen von Neuruppin bleibt bunt und des „Mittendrin“ Foto: Wolfgang Frese

Wer zählt – und wer nicht?

Emil Wendland war ein Mensch mit Brüchen. Alkoholkrank, wohnungslos, sozial isoliert. In den Augen der Täter war das Grund genug, ihn anzugreifen. Und auch nach seinem Tod blieb die öffentliche Reaktion verhalten. Kein Aufschrei, keine große Mahnwache. Die Würde des Opfers wurde überlagert von einem Schweigen, das viel über die Stellung armer und obdachloser Menschen in Deutschland sagt.

Dabei war Wendland nicht das erste Opfer solcher Gewalt. Schon in den 1990er Jahren registrierten Opferberatungen zahlreiche Übergriffe auf Wohnungslose, auch in Brandenburg. Die Täter kamen häufig aus der rechten Szene – ihr Weltbild geprägt von Abwertung, Selbstüberhöhung und Gewalt.

Erinnern an Opfer rechter Gewalt. Foto: Macron

Steinmeier reist mit dem RE6 zur „Ortszeit“ nach Neuruppin – Grüne fordern Halbstundentakt

Foto des Bundespräsidenten Fank Walter Steinmeier

Steinmeier reist mit dem RE6 zur „Ortszeit“ nach Neuruppin – Grüne fordern Halbstundentakt

Von: macron

NEURUPPIN. Pünktlich um 10:27 Uhr ist am Dienstagmorgen der Regionalexpress 6 am Bahnhof Neuruppin Rheinsberger Tor eingefahren – an Bord: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er besucht die Fontanestadt im Rahmen seiner bundesweiten Sommertour „Ortszeit Deutschland“, bei der der Präsident in ausgewählten Kommunen den direkten Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern sucht.

Besonders bemerkenswert: Steinmeier verzichtete auf Dienstwagen oder Hubschrauber – er reiste mit dem Zug an, wie viele Pendlerinnen und Pendler aus der Region jeden Tag.

„Der Bundespräsident hat heute gezeigt, dass Zugfahren möglich ist. Jetzt muss die Politik zeigen, dass es auch alltagstauglich ist.“
Susanne Rohleder, Sprecherin des Grünen-Ortsverbands Neuruppin

Mitglieder der Grünen-Ortsgruppe mit Schildern am Bahnhof
Halbstundentakt jetzt!“ – Grüne fordern Verbesserungen für den RE6 anlässlich des hohen Besuchs. Foto: Thorsten Körner

Grüne: „Nicht nur symbolisch – sondern systematisch verbessern“

Den symbolischen Charakter der Anreise nahm der Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen Neuruppin zum Anlass, um mit einer kleinen Aktion am Bahnhof auf einen konkreten Missstand aufmerksam zu machen: den unzureichenden Takt der Bahnverbindung zwischen Neuruppin und Berlin.

Mit Schildern wie „Halbstundentakt jetzt!“ und „Anschluss für alle“ erinnerten die Aktivistinnen und Aktivisten daran, dass verlässlicher Nahverkehr eine Frage der Teilhabe ist.

„Dass der Präsident mit dem RE6 kommt, ist ein gutes Zeichen. Aber in Wahrheit gibt es diese Verbindung tagsüber oft nur einmal pro Stunde, mit vielen Lücken, Ausfällen und Verspätungen. Für viele Berufstätige, Auszubildende und Schüler*innen ist das schlicht unzumutbar“, sagte Ortsverbandsprecherin Susanne Rohleder.

Blick auf den Regionalexpress 6 mit Logo der DB, eingefahren in Neuruppin
Der RE6 ist Neuruppins Hauptverbindung Richtung Berlin – aber oft unzuverlässig und zu selten. Foto: Thorsten Körner

Empfang mit Bürgergesprächen und Zukunftsthemen

Am Bahnsteig wurde Steinmeier von Bürgermeister Nico Ruhle, Vertreter*innen der Stadtverordnetenversammlung und zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern empfangen. Auf dem Programm standen Begegnungen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen, Gespräche zu sozialem Zusammenhalt im ländlichen Raum sowie ein Besuch in der Innenstadt.

Auch Themen wie Pflege, Ehrenamt, Migration und Kultur fanden bei der „Ortszeit“ in Neuruppin Raum – eingebettet in einen Tagesablauf, der sichtbar vom Dialog geprägt war.

Kommentar: Der RE6 kann mehr als Symbol sein

Dass der Bundespräsident in den RE6 steigt, ist mehr als eine nette Geste – es ist ein Signal. Doch die Realität für viele Pendlerinnen und Pendler sieht anders aus: Wer morgens pünktlich in Berlin ankommen will oder abends von der Arbeit zurück, kennt das Dilemma. Ein verlässlicher Halbstundentakt wäre ein echter Fortschritt – nicht nur für Neuruppin, sondern für die gesamte Region.

Seedamm Neuruppin: Gefährlich für Rad und Fuß

Rad- und Fußverkehr brauchen endlich mehr Platz

Von: Macron

Der Seedamm in Neuruppin – zentrale Verkehrsachse und beliebte Naherholungsroute – ist für Radfahrer:innen und Fußgänger:innen seit Jahren eine Herausforderung. Während der Autoverkehr auf zwei breiten Spuren mit Tempo 50 fließt, bleiben Radfahrenden nur schmale Wege: Auf der Nordseite misst der Radweg deutlich weniger als 1m und auch auch auf der Südseite, hier teilen sich Fuß- und Radverkehr den Weg, misst der Radweg lediglich ca. 1,50 m – und ist damit auf beiden Seiten nicht einmal regelkonform.

Hinzu kommt: An den beiden Seedammbrücken verengt sich der nutzbare Radweg auf etwa 1 Meter Breite – ohne Abgrenzung zum fließenden Autoverkehr. Dort mit dem Fahrrad zu fahren, ist für viele nur unter großer Unsicherheit möglich. Die Schäden im Belag, insbesondere auf der Nordseite, verschärfen das Problem zusätzlich.

Kombinierter Rad- und Fußweg in beide Richtungen. Z.Zt. herrscht Ruhe auf der Straße, aber wie geht es nach 2027 weiter? Foto: Thorsten Körner,
C. Etwas mehr als 2 Fuß, der „Radweg“ auf der Nordseite. Foto: Thorsten Körner

Dass es hier bislang keine schwerwiegenden Unfälle gegeben hat, grenzt an ein Wunder.

Jetzt ist Zeit zu handeln – Umbauphase nutzen!

Der Seedamm ist aktuell bis 2027 für Bauarbeiten gesperrt – das eröffnet die Möglichkeit, endlich echte Verbesserungen umzusetzen. Folgende Maßnahmen wären sinnvoll:

  • Breitere, sichere Radwege (mind. 2,5 m) auf beiden Seiten
  • Neuer Belag auf beschädigten Abschnitten, v. a. nördlich
  • Tempo 30 für den gesamten Seedamm zur Erhöhung der Sicherheit
  • Zusätzliche Fuß- und Radbrücken an den Seebrücken
  • Verengung der Fahrspuren für den Autoverkehr zugunsten der Sicherheit
  • Bauliche Trennung von Fuß- und Radwegen

Ein moderner Seedamm muss mehr sein als eine Durchgangsstraße – er muss ein sicherer Ort für alle Verkehrsteilnehmer:innen sein. Die Stadt hat jetzt die Chance, genau das umzusetzen. Sichere, barrierefreie, klimafreundliche Mobilität beginnt mit fairer Flächenverteilung.

Bundespräsident Steinmeier besucht Neuruppin: Drei Tage „Ortszeit Deutschland“ in Brandenburg

Foto des Bundespräsiendenten

Von Macron

Vom 1. bis 3. Juli 2025 verlegt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen Amtssitz in das Hotel Up Hus nach Neuruppin. Im Rahmen seiner Reihe „Ortszeit Deutschland“ führt er seine Amtsgeschäfte bewusst außerhalb Berlins, um mit Bürgerinnen und Bürgern in den direkten Dialog zu treten. Neuruppin ist die 16. Station dieser besonderen Besuchsreihe – und nach Senftenberg bereits der zweite Ort in Brandenburg.

Austausch, Nähe und Begegnung in der Fontanestadt

Zum Auftakt seines Aufenthalts spaziert der Bundespräsident durch die Innenstadt und sucht das persönliche Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern. Im Anschluss trifft er sich mit dem Bürgermeister und Vertreterinnen und Vertretern der Stadtverordnetenversammlung zum kommunalpolitischen Austausch.

Auch ein Besuch beim Kanuverein Neuruppin inklusive einer Drachenbootfahrt auf dem Ruppiner See, eine Open-Air-Lesung mit Fontane-Preisträgerin Lisa Kränzler sowie ein Rundgang im Kunstraum Neuruppin stehen auf dem Programm. Mit dem Besuch der Automationssysteme Leske GmbH würdigt der Bundespräsident außerdem die Innovationskraft des regionalen Mittelstands.

Gesellschaftliche Verantwortung und Erinnerungskultur

Ein besonders bewegender Programmpunkt ist das Gedenken an Emil Wendland, der 1992 in Neuruppin Opfer rechtsextremer Gewalt wurde. Im Rosengarten der Stadt wird gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern sowie zivilgesellschaftlichen Initiativen an Wendlands Schicksal erinnert. Der Bundespräsident setzt damit ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus und für demokratische Werte.

Auch im Mehrgenerationenhaus „Krümelkiste“ wird es politisch: Bei der „Kaffeetafel kontrovers“ diskutiert Steinmeier mit Einheimischen über gesellschaftliche Herausforderungen und Perspektiven – insbesondere mit Blick auf 35 Jahre Deutsche Einheit.

Weitere Stationen sind das Amtsgericht Neuruppin (Thema: häusliche Gewalt), die THW-Ortsgruppe, das Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg und die Medizinische Hochschule, wo der Präsident mit Studierenden ins Gespräch kommt.

Abschluss mit Auszeichnung: Verdienstorden für Bürgerengagement

Die dreitägige „Ortszeit Neuruppin“ endet mit einer feierlichen Ordensverleihung in der Kulturkirche. Hier zeichnet der Bundespräsident Bürgerinnen und Bürger aus Brandenburg mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für ihr Engagement aus – ein starkes Zeichen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Mehr dazu im Interview der Woche und bei der Homepage des Bundespräsidenten.

“Theater 89”: Von Lug und Trug, von Glück und Ungeschick im Geiste LenzensAnspruchsvoller Tourneeauftakt im Tempelgarten mit “Tandi” und viel Tamtam

Foto von Christian Schaefer

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Ein Staatstheater stellte sich Jakob Michael Reinhold Lenz nicht vor, als er 1774 programmatische Überlegungen verfasste. Unter freiem Himmel sollte gespielt werden, man sollte von Ort zu Ort ziehen und den Versuch wagen, möglichst viele Menschen zu erreichen. Sein wagemutiges Stück “Der neue Menoza” hatte er eben erst anonym veröffentlicht. Zu sehr könnte dem Autor übel genommen werden, was da durch “Die Geschichte des cumbischen Prinzen Tandi” ans Dämmerlicht kommt. Das Ensemble “Theater 89” darf sich in der Tradition solcher Autoren wie Lenz, Kleist oder Büchner sehen, das zeigte diese Premiere auf besondere Weise.
Christian Schaefer macht es in der Hauptrolle des Fremdlings sichtlich Freude, in die feine Gesellschaft von Naumburg hineinzufahren wie der lachende Blitz. Dass er an Wilhelmine von Biederling, der Tochter seiner Gastgeber, Gefallen findet, könnte an ein Liebesstück denken lassen und Paaresglück. Ella Zoe Arnsburg aber darf eine Wilhelmine geben, die auch den Grafen Camäleon aus der Fassung bringt. Moritz Meyer kommt an diesem Abend keine Sekunde zur Ruhe. Zu viel ist zu erleben, zu viel ist zu verbergen, alles reizt ihn. Das Erregungsniveau aller Gestalten steigt. Verdrängung hilft auch nicht (mehr). Deshalb der Dolch, deshalb die Messer, deshalb die Pistolen. Gift könnte auch gegeben werden, wenn die Wahrheit nicht an den Tag kommen soll. Tandi wollte ja wissen, wie die Menschen so leben in diesem Europa, das unter dem Leitwort der Aufklärung endlich in gute, ja in bessere Zeiten geführt werden soll. Geführt? Wir befinden uns in der Phase des “aufgeklärten Absolutismus”. Und der deutschen Kleinstaaterei. Da gespielt, wo Friedrich der Große ziemlich klein anfing. Aber in Sachsen angesiedelt, nur ohne das Wunder der Mundart. Man will verstanden werden. Klare Artikulation, zumindest auf Deutsch.


Beziehungchaos in feinster Gesellschaft. Foto: VHS

Auch von Uta Wilde, die die Frau von Biederling geben darf, wird kein Mutterglück, kein Treuestück geboten. Und mit der polnischen Gräfin, ihrer Amme Babet, jenem Herrn von Zopf und einem gewissen Gustav (Jakob Frank/Elia Klag) wird das Spiel von Lüge und Intrige, von Leidenschaft und Machenschaft und die trügerische Hoffnung auf Wahrheit und Wahrhaftigkeit nur noch intensiver. Und witziger. Dafür sorgt nicht nur Martin Schneider in der Rolle des umtriebigen Herrn von Biederling. Dass Schneider Gitarre zu spielen weiß, nutzt Regisseur Hans-Joachim Frank zur Modernisierung des Stoffs. Volkslied, Kinderlied und Popsong entschädigen das große Publikum für viel gedankliche Arbeit. Es gibt dankbaren Sonderapplaus, immer wieder.
Dass die Premiere in Neuruppin als Erfolg bezeichnet werden kann, ist sicherlich auch auf einen weiteren Kunstgriff dieses Ensembles mit Jörg Mihan als Dramaturg zurückzuführen. Man spricht immer mal wieder Polnisch, man singt Polnisch, man lügt Polnisch und klärt auf Polnisch auf. Karolina Andrejczuk, Katarzyna Penkala und Hubert Kossinski bieten ein bilunguales Spiel, wo Lenz seine spanische Gräfin auf Gutdeutsch zu Babet bloß sagen lässt: “Närrin! Verdammte Hexe!” Einlagen wie “Hänschen klein” und vorwitzig dargebotene Schulpoesie wie “Sah ein Knab’…” wurden besonders laut beklatscht. Wieder was verstanden!


Singen hält Herz und Verstand zusammen. Foto: VHS

Offen lassen wir hier, wie es ausgeht. Sonst lesen die wirklich Interessierten aus Potsdam, Jüterbog und Treuenbrietzen, um nur drei von zwanzig weiteren Spielorten zu nennen, schon im Netz, wie’s zuging in Naumburg. Alle Menschen sind Geschwister? Bloß nicht! Wer wegen des Turbans und der Beinkleider Tandis dachte, das Thema Fremdenfeindlichkeit oder Religionshoheit würde hier mal so richtig Raum gewinnen unter Christen dieses Typs, sah sich – ganz Lenz – mit der Tatsache konfrontiert, dass nur gespielt wird im Spiel. Tandi ist gar kein “Mameluke”. Bald mehr davon – auch in Kremmen, in Rheinsberg, eben in historischen Stadtkernen im Lande Brandenburg.
Wunderbare Nonsensepoesie, wie sie der in Neuruppin geborene Psychologe Walter Blumenfeld 1933 in “Sinn und Unsinn” empfiehlt, um Geistesschwere zu überwinden, krönte die Zugabe. Und das in der Fontanestadt mit einem köstlichen Birnenstück aus Schaefer-Mund, mit Stengel, Blatt und Bett und furiosem Bühnentanz – eingerahmt von lachenden Gesichtern.
Statt Freiobst aus “Ribbeck” hatte das Team vom Restaurant “Tempelgarten” Stärkungen und Erfrischungen im Angebot. Auch das eine Premiere.

Familiennachzug für Ostdeutsche

Symbolbild

Wie der Wegzug junger Frauen den Osten verändert – und radikale Tendenzen fördert

Von macron

Seit der Wende verlassen viele junge Frauen die ländlichen Regionen Ostdeutschlands in Richtung Westen. Bessere Karrierechancen, höhere Löhne, eine bessere Infrastruktur und ein fortschrittlicheres gesellschaftliches Klima treiben sie fort. Was sie zurücklassen, sind Dörfer mit starkem Männerüberschuss, schwindender Infrastruktur – und wachsender politischer Unzufriedenheit.

Die Soziologin Katja Salomo spricht von einem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel: In manchen ostdeutschen Gemeinden sind über 70 % der 18- bis 29-Jährigen männlich. Diese Überrepräsentation führt laut Studien nicht nur zu Frustration, sondern kann auch ein verstärkender Faktor für rechtsextreme Radikalisierung und Gewalt sein – insbesondere gegen Geflüchtete, die als Konkurrenz auf dem „Partnerschaftsmarkt“ empfunden werden.

Die Abwanderung junger, progressiver Frauen entzieht den Regionen wichtige Stimmen für ein vielfältiges, tolerantes Miteinander. Zurück bleiben Männer, deren Perspektivlosigkeit sich politisch kanalisiert – oft in Richtung AfD oder extremer. Der Mangel an weiblicher Präsenz und sozialer Vielfalt wirkt wie ein Katalysator für rückwärtsgewandte Weltbilder.

Ironisch, aber dringend diskutierenswert: Während Deutschland über Familiennachzug für Geflüchtete debattiert, braucht es vielleicht einen „Familiennachzug für Ostdeutsche“ – Maßnahmen, um Frauen das Bleiben oder Zurückkommen zu erleichtern und ländliche Räume neu zu beleben: durch bessere Bildungsangebote, Dienstleistungen, Mobilität und ein gesellschaftliches Klima, in dem sich auch Frauen willkommen und sicher fühlen.

Quelle: MAZ vom 27.Juni 2025 Brandenburg/Berlin „Als Frau will man einfach nur weg