Zum Zeitenwechsel ein wohltuendes Abendkonzert in der Siechenkapelle

Vor oder zurück die Zeiger? Früher dunkel oder eher später? Und die Nachtruhe? Das sind die Fragen, die viele Menschen bewegen, wenn Zeitenwechsel ansteht. Mit “Schlaf, los” hat das Trio “Tiefsaits” ein Programm anzubieten, das fast genau in die Kalenderlücke passen würde.

Von Volkmar Heuer-Strathmann

Gabriele Lettow und Mirjam-Luise Münzel begrüßten die Gäste. Die Musikerin konnte aus ihrem Ensemble Alma Stolte (Barockcello) und Anna Reisener (Viola da Gamba) vorstellen. Außerdem wirkten Babett Niclas an der Harfe und Malwine Nicolaus als Sängerin und Rezitatorin mit. Sie selbst war an der Blockflöte und an der Viola da Gamba zu hören. Man wolle sich dem Tagesausklang widmen, hieß es.
Das Motto “schlaf, los” könnte auch an Comedy denken lassen. An die Vergeblichkeit und die Mühsal, wenn Kinder einfach nicht einschlafen. Den Musikerinnen geht es eher um generationübergreifende Musikangebote, die Nachtmotive aufgreifen, die träumen lassen, religiöse Fragen berühren und aus unterschiedlichen Ländern stammen.
“Brecht, ihr müden Augenlider” von Georg Philipp Telemann hat eher etwas Aufgeregtes, schon durch die mehrfache Wiederholung der Bitte. “Der Mond ist aufgegangen” ist da von ganz anderer Art. Und wohllnbekannt. Da war es eine originelle Idee, just diesen Titel als Instrumentalfassung zu präsentieren. Die Menschen, die einem solchen Kurkonzert in der Siechenkapelle beiwohnen, werden doch wohl ihren Claudius kennen.
Ganz andere Lyrik ließ die Sängerin als Rezitatorin einfließen. Die modernen Verse von Seda Tunc waren zwischen Traumseligkeit und Weltverlorenheit angesiedelt. Wortfetzen könnte man auch sagen, eben Ellipsen. Von “Rastlosen” ist die Rede. Es geht um’s “Fliegen”, der “Mond hat Hunger”. Sinnkonsistenz wäre sonderbar. Die Traumnacht hat keine Tagesordnung. Doch paar “Köpfe des Tages” wirken nach. Die Dramaturgie ist wohlüberlegt, auch im Hinblick auf die reine Instrumentalmusik.

Warmer Applaus, Glücksgefühle – und dann hinaus in die Finsternis.
Fotos: VHS

An der Seite der anderen Streicherinnen fällt der helle Klang des Flötenspiels von Mirjam-Luise Münzel auf. Das Temperament, ihre Leidenschaft. Ein Betäubungsprogramm wird eben nicht gegeben, auch nicht an der Harfe, dem Instrument der Engel. Das Repertoire reicht von “Rest, sweet nymphs” von Francis Pilkington bis zu Engelbert Humperdincks “Abends, wenn ich schlafen gehe” und Alfred Pesters “Wiegenlied”, also über mehr als vierhundert Jahre. Der Abend, die Nacht, der Schlaf, die Träume, die Liebe, die Sorgen, die Unruhe, die selige Ruhe, die Stille – jeder Applaus wäre wie ein Riss durch die Nacht gegangen. Am Ende aber wurden die fünf Kunstengel gefeiert für ihre wunderbaren Darbietungen. Wieder einmal lag Gabriele Lettow als Verantwortliche genau richtig: “Sie werden Ihr Kommen bestimmt nicht bereuen.”

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